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Das Verschwinden von Personen oder das zwangsweise, unfreiwillige Verschwinden
von Personen, so der international gebräuchliche Begriff, begann in
Peru im Jahre 1983 mit dem Eingreifen der Armee in den Kampf gegen den subversiven
Krieg oder den bewaffneten Kampf, den die Kommunistische Partei Perus (PCP)
im Mai 1980 aufgenommen hatte, denn bis dahin gab es keinen einzigen Fall
des gewaltsamen Verschwindens von Personen. Im Jahr 1983 lag die Zahl der
Verschwundene bei 730. Im Jahr 1984 wurden 2881 Verschwundene verzeichnet,
was zusammen mit den 1767, die 1983 umgebracht wurden, eine Gesamtzahl von
2497 Ermordeten ergibt. Und im Jahr 1984 wurde einschließlich der
2522 Ermordeten ein Gesamtzahl von 5403 Verschwundenen registriert, womit
in diesem Jahr der Höhepunkt des Völkermords durch die Armee während
der Regierungszeit von Belaúnde Terry erreicht wurde. Unter der Regierung
von García Pérez gab es bis 1986 4000 Verschwundene, was zusammen
mit den 4700 Ermordeten eine Gesamtzahl von 8700 Ermordeten bedeutet, denn
das Verschwindenlassen ist nichts anderes als gemeiner Mord, wie die Defensoría
del Pueblo (Büro des Ombudsmannes) in ihrer Resolution Nr. 57 über
das gewaltsame Verschwinden von Personen in Peru zugibt. Dort heißt
es auf den Seiten 12-13: "In mehr als 25% (137) der untersuchten Fälle
illegaler Hinrichtungen zeigten die Angehörigen das Verschwinden bei
der Staatsanwaltschaft an und beriefen sich dabei auf ihre eigenen Beobachtungen
oder auf die von Zeugen der Verhaftung. Die Defensoría del Pueblo
konnte feststellen, daß in der Mehrzahl der Fälle an den Körpern
der Opfer Spuren von Folter, Kopfschüssen aus Gewehren vom Typ FAL,
wie sie die Ordnungskräfte des Staates benutzen, oder Merkmale der Verstümmelung
der Leichen durch Explosionen von Granaten zu erkennen waren. Diese Fälle
bestätigen teilweise, daß die endgültige Bestimmung der
Verschwundenen der Tod war." Zu der gleichen Annahme kommt der Interamerikanische
Gerichtshof für Menschenrechte, der in seinem Urteil im Fall Manfredo
Velásquez Rodríguez vom 29. Juli 1998 ausführt, daß
diese Praxis "gewöhnlich die heimliche Hinrichtung ohne Gerichtsurteil
des Verhafteten beinhaltete, auf die das Verbergen der Leiche folgte, um
alle Spuren des Verbrechens zu beseitigen und die Straffreiheit der Täter
zu garantieren." (Fall zitiert von der Defensoría del Pueblo in dem
oben erwähnten Bericht)
Die Defensoría del Pueblo zeigt auf, daß es von 1980 bis
1996 4022 Fälle vermutlichen gewaltsamen Verschwindens gab. Diese Angabe
entstammt der Überprüfung von 1762 Anzeigen des zwangsweisen Verschwindens,
die bei der Staatsanwaltschaft eingingen. Diese Zahl ist sicherlich zu
niedrig, doch es ist hervorzuheben, daß es sich dabei um Fälle
handelt, die dokumentiert, untersucht und belegt sind.
Doch das ist nicht die Gesamtheit aller Personen, die der peruanische
Staat verschwinden ließ. Die wahre Zahl liegt weitaus höher.
In all den Jahren des internen Krieges verschwanden rund 10000 Personen,
die meisten davon in der Amtsperiode von García Pérez. In dieser
Zeit verschwanden nicht nur Menschen auf dem Land, sondern auch in den Städten,
einschließlich der Hauptstadt. Unter der Präsidentschaft des
Massenmörders Fujimori Fujimori wurde diese barbarische Politik fortgeführt,
wobei in den ersten beiden Jahren seiner Amtszeit die Zahl der Opfer genauso
hoch war wie die im gleichen Zeitraum unter den Regierungen von Belaúnde
und García Pérez zusammen. Danach ging sie allmählich
zurück, doch nicht, weil der Staat seine Politik des Völkermords
und des Verschwindenlassens von Personen aufgab, sondern aufgrund einer
Petition des Dr. Abimael Guzmán Reynoso an die Regierung Fujimori,
in der er die Aufnahme von Verhandlungen für ein Friedensabkommen vorschlug,
um den im Mai 1980 von der PCP begonnenen Krieg zu beenden.
Die Defensoría del Pueblo kommt bei der Analyse der angezeigten
Fälle nach dem Zeitpunkt des Verschwindens zu folgenden Prozentsätzen:
"30,6% der Fälle des Verschwindens von Personen ereignete sich während
der zweiten Regierungsperiode von Belaúnde Terry, 41,8% unter der
Präsidentschaft von García Pérez und 27,6% in den ersten
Jahren der Regierung des Präsidenten Fujimori."
Die Hauptbetroffenen der Politik des Verschwindenlassens waren die armen
Bauern in den Provinzen Ayacucho, Apurímac, Huancavelica und Junín,
gefolgt von den Provinzen Huánuco, San Martín und Ucayali,
Ancash, Cerro de Pasco, Cuzco, Lima, Puno, Amazonas, Arequipa, Ica, Lambayeque,
Loreto, Piura, der Konstitutionellen Provinz Callao und Cajamarca. In Wirklichkeit
handelte es sich um ein landesweites Phänomen, denn es zeigte sich
in allen Landesteilen, wo die bewaffneten Auseinandersetzungen stattfanden.
Nicht alle Fälle von Verschwundenen sind angezeigt worden, häufig
aus Angst vor Repressalien, denn eine Anzeige diente als Anlaß für
Verdächtigungen und Drohungen gegen die Angehörigen, die diese
präsentierten, oder hatten zur Folge, daß sie auch verschwanden
oder umgebracht wurden. In vielen Fällen, insbesondere unter den armen
Bauern, existiérten nicht die notwendigen Ausweispapiere oder die
Familie besaß keine Mittel, um Anzeige zu erstatten. In anderen Fällen
wurden alle Mitglieder einer Familie ermordet oder verschwanden, so daß
niemand mehr da war, um Anzeige zu erstatten, wie im Fall der Familie Tuanama
Tapullina aus Tocache, den der Abgeordnete Geno Ruiz öffentlich machte
und in dem die Armee 9 Mitglieder der Familie ermordete.
Generell gab es Behinderungen, Schwierigkeiten bis hin zu unüberwindlichen
Hindernissen bei der Erstattung einer Anzeige. Andererseits sind die große
Mehrheit der Tausenden von Vermißten arme Bauern, die im Dunkel von
noch unentdeckten Massengräbern oder heimlichen Friedhöfen in
den zahlreichen Konzentrationslagern ruhen, welche die Armee gegen diejenigen
einsetzte, die zu den Waffen griffen, doch nicht allein gegen sie, sondern
auch gegen die unbewaffnete Zivilbevölkerung. Ein Verdacht wegen angeblichen
"Terrorismus" reichte aus, um jemanden zu verhaften, zu verschleppen, zu
foltern, verschwinden zu lassen und/ oder zu ermorden.
DAS GEWALTSAME VERSCHWINDEN VON PERSONEN IN PERU
Angesichts der zunehmenden Verbreitung der unmenschlichen, mörderischen
Politik des zwangsweisen Verschwindens von Personen bei internen Konflikten
sind internationale Organisationen dazu übergegangen, diese zu untersuchen
und konzeptionell zu erfassen, darunter die Organisation der Vereinten Nationen,
die im Februar 1980 die "Arbeitsgruppe über das gewaltsame und unfreiwillige
Verschwinden" schuf. Diese Arbeitsgruppe kam zu dem Schluß, daß
das gewaltsame Verschwindenlassen von Personen das Recht auf die Freiheit
und Sicherheit der Person, das Recht auf ein unparteiisches Gerichtsverfahren,
das Recht auf die Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Person, das Recht
auf menschenwürdige Haftbedingungen und das Recht, nicht gefoltert
zu werden, sowie das Recht auf Leben, die Rechte der Hinterbliebenen des
Opfers und wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte berührt.
Außerdem trifft sie die Feststellung, daß es sich um "eine der
bösartigsten Techniken unter den Menschenrechtsverletzungen handelt,
konzipiert als eine effiziente Methode zur Ausschaltung politischer Widersacher
oder Personen, die des politischen Umsturzes verdächtigt werden, indem
man sie dem Schutz des Gesetzes entzieht, um so eine unmittelbare Bestrafung
zu vermeiden, sowie um eine Taktik, um Aufständische und Dissidenten
zum Schweigen zu bringen". (Zitiert in dem Bericht "Das gewaltsame Verschwinden
von Personen in Peru" der Defensoría del Pueblo.)
Die Menschenrechtskommission der OAS ihrerseits nimmt in Wahrung der
"Amerikanischen Konvention für Menschenrechte" Anzeigen entgegen und
untersucht sie. Und die Vollversammlung der UNO verabschiedete die Konvention
über das zwangsweise Verschwinden von Personen, die im März 1996
in Kraft trat. Im Artikel 2 der Konvention wird die Verhaftung und das
Verschwinden definiert als "Freiheitsberaubung einer oder mehrerer Personen
in welcher Form auch immer durch die Repräsentanten des Staates oder
Personen oder Gruppen von Personen, die mit der Autorisierung, Unterstützung
oder Duldung des Staates handeln, gefolgt von der Verweigerung von Auskünften
oder der Weigerung, diese Freiheitsberaubung zuzugeben oder über den
Aufenthalt der betreffenden Person zu informieren, womit der Einsatz rechtlicher
Mittel und die Gewährung angemessener Garantien für einen fairen
Prozeß verhindert wird."
Außerdem wird in ihrem Vorwort festgestellt, daß es sich
um ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit handelt.
Peru hat diese Konvention nicht unterzeichnet.
Die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte der OAS hat
festgestellt, "daß die Erklärung des Ausnahmezustandes das entscheidende
Szenario für das zwangsweise Verschwinden bildet, da er dazu diente,
den Mißbrauch der den Streitkräften verliehenen Macht zu decken,
die Personen festnahmen, ohne eine Handhabe gegen sie zu haben, ohne sie
zu registrieren und ihnen die ihnen zustehenden rechtlichen Mittel verweigerten
...", daß ferner "die Festnahmen durch Angehörige der Armee unter
dem Befehl der politisch-militärischen Oberkommandos und der Kommandanten
der Militärstützpunkte, sowie von Polizisten, hauptsächlich
der DINCOTE ("Dirección Nacional contra el Terrorismo") durchgeführt
wurden ...."
Amnesty International führte in einem Brief an Belaúnde Terry
aus dem Jahre 1983 an, daß nach der Einführung der politisch-militärischen
Hoheitsgebiete in Ayacucho, Apurímac und Huancavelica ab 1983 Angehörige
von Polizei und Armee beim gewaltsamen Verschwinden von Personen zusammenarbeiteten.
(Zitiert in dem oben erwähnten Bericht der Defensoría del Pueblo.)
Der peruanische Staat hat stets seine Verantwortung an den Tausenden
von Verschwundenen bestritten und schob die Schuld stattdessen auf die PCP.
Einige Organisationen unterschiedlicher Ausrichtung vertraten dieselbe Position,
ähnlich wie die Massenmedien.
Nachdem die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte zahlreiche
Anzeigen gegen den peruanischen Staat wegen gewaltsamen Verschwindens von
Personen untersucht hat, stellte sie fest, "daß in der Zeit von 1980
bis 1993 in Peru eine Praxis des systematischen und selektiven Verschwindenlassens
bestand, die von Vertretern des Staates angewandt oder zumindest durch besagten
Staat geduldet wurde. Die sogenannte offizielle Praxis des zwangsweisen
Verschwindens war Bestandteil des antisubversiven Kampfes, unbeschadet dessen,
daß sie häufig gegen Menschen angewandt wurde, die nichts mit
den Aktivitäten der aufständischen Gruppen zu tun hatten." (Nach
demselben Bericht der Defensoría del Pueblo.)
Bei der Anwendung der Politik des Verschwindenlassens gab es unterschiedliche
Modalitäten der Festnahme der verschwundenen Personen, das heißt
unterschiedliche Umstände, unter denen sie ihrer Freiheit beraubt wurden:
Das gewaltsame Eindringen in die Wohnung, fast immer nachts, wenn die
Menschen schliefen, wurde hauptsächlich in ländlichen Gebieten
von Militärpatrouillen praktiziert, die immer als Gruppe und heimlich
auftraten und die Festgenommen schlugen, mißhandelten und ihnen zudem
ihre Besitztümer stahlen.
Verhaftungen auf offener Straße: Sie fanden zu jeder Tageszeit
ungeachtet eventueller Zeugen statt.
Kollektive Verhaftungen wurden bei Säuberungsaktionen in Dörfern
angewandt, nachdem die Bewohner auf dem Hauptplatz, in der Kirche oder einem
anderen öffentlichen Ort zusammengetrieben worden waren. Die Verhafteten
wurde im Beisein aller gefoltert. Die anderen wurden mißhandelt, Frauen
vergewaltigt, diejenigen, die reklamierten oder protestierten in einigen
Fällen umgebracht und das Vieh und die Besitztümer der Einwohner
gestohlen.
Bei Kontrollen auf Landstraßen und an Kontrollpunkten wurde ausgenutzt,
daß die Opfer unterwegs waren. Sie wurden in Anwesenheit von Zeugen
zum Aussteigen gezwungen.
Einzelverhaftungen: Die Opfer wurden allein an den unterschiedlichsten
öffentlichen Orten wie Restaurants, Universitäten, Schulen, Parks,
Plätzen usw. verhaftet. Dabei ging man aufgrund eines bloßen
Verdachts wegen angeblichen "Terrorismus" vor und griff zu, nachdem man
die Leute identifiziert hatte. Manchmal handelte es sich um Führer
von Volksorganisationen oder Politiker.
Verhaftung auf Märkten, Verkehrsknotenpunkten, Schülerparaden:
Die Personen wurden einzeln oder zu mehreren gleichzeitig und im Beisein
von Zeugen festgenommen.
Andere Formen der Verhaftung: Personen, die in Polizeistationen oder
militärischen Einrichtungen nach einem verhafteten Verwandten fragten,
wurden ebenfalls verhaftet und verschwanden.
VERLETZTE GRUNDRECHTE DER VERSCHWUNDENEN
1. Das Recht auf Freiheit und Sicherheit der Person.
2. Das Recht auf ein gerechtes Verfahren vor einem unabhängigen
und unparteiischen Gericht.
4. Das Recht auf die Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Person.
4. Das Recht einer jeden Person auf die Wahrung ihrer Grundrechte im
Falle einer Verhaftung.
5. Das Recht auf Leben.
6. Das Recht auf ein Leben innerhalb der Familie und der Gesellschaft
und das Recht auf Wiedergutmachung.
7. Das Recht der Familie auf Auskunft über die Situation und den
Verbleib ihrer verschwundenen Angehörigen.
8. Das Recht auf ein würdiges Begräbnis..
Der peruanische Staat verletzte nicht nur die Grundrechte der Verschwundenen,
sondern auch die Rechte ihrer Angehörigen.
All diese Rechte, die der peruanische Staat im Verlauf seines antisubversiven
Krieges negierte und verletzte, sind sowohl in der peruanischen Verfassung
von 1979 als auch in der von 1993, sowie in internationalen Konventionen
und Abkommen festgeschrieben, anerkannt und garantiert, unter anderem in
der "Allgemeinen Erklärung für Menschenrechte" der UNO und der
"Amerikanischen Konvention über Menschenrechte des Paktes von San José,
Costa Rica", die gemäß des Artikels 101 der Verfassung von 1979
und des Artikels 55 der Verfassung von 1993 Teil des nationalen Rechts sind,
das der peruanische Staat verpflichtet ist anzuwenden.
ÜBER DAS RECHT AUF FREIHEIT UND SICHERHEIT DER PERSON.
Diese wird in Artikel 2, Absatz 20, Paragraph b), d), g), h), i),
j), y k) der Verfassung von 1979 und im Artikel 2, Absatz 24, Paragraph
b), d), e), f), g) y h) anerkannt.
In beiden Fällen wird verfügt, daß eine Person nur dann
verhaftet werden kann, wenn ein schriftlicher richterlicher Haftbefehl vorliegt
oder sie von der Polizei auf frischer Tat ertappt wird, und daß sie
in diesem Fall innerhalb von 24 Stunden oder, wenn die Entfernung dies nicht
zuläßt, schnellstmöglich dem zuständigen Haftrichter
vorgeführt werden muß. In Fällen von Terrorismus, Spionage
und illegalem Drogenhandel ist die Frist von 24 Stunden außer Kraft
gesetzt und die Festgenommenen können bis zu 15 Tagen in Polizeigewahrsam
gehalten werden, doch die Staatsanwaltschaft und der Richter müssen
unterrichtet werden und letzterer kann die Jurisdiktion vor Ablauf der Frist
von 15 Tagen übernehmen. Die „Allgemeine Erklärung für Menschenrechte“
legt in Artikel 9 fest, daß niemand „willkürlich festgenommen,
in Haft gehalten oder des Landes verwiesen werden” darf, und die Amerikanische
Konvention über Menschenrechte des Paktes von San José, Costa
Rica” enthält in Artikel 7, Abschnitt 1, 2, 3, 4, 5, 6 und 7 das gleiche.
Im Abschnitt 1 heißt es wörtlich: „Alle Menschen haben das Recht
auf Freiheit und Sicherheit der Person.“ Und in Abschnitt 2: „Niemand
kann seiner physischen Freiheit beraubt werden, außer aus Gründen
und unter Bedingungen, die im voraus von den Verfassungen der Mitgliedstaaten
und der entsprechenden Gesetzgebung festgelegt worden sind“. Und in Abschnitt
3 heißt es: „Niemand kann willkürlich verhaftet
oder in Haft gehalten werden.“
Im Fall der Verschwundenen in Peru wurde im Verlauf des ganzen internen
Krieges Tabula Rasa mit diesem Recht gemacht. Menschen wurden ohne Grund
und Anlaß verhaftet und entführt, d. h. gewaltsam ihrer Familie
und ihrem gewohnten sozialen Umfeld entrissen, die Verhaftung wurde vor ihren
Angehörigen und/ oder anderen Personen, die mit ihnen zusammenlebten,
verheimlicht, um die Verhafteten danach kaltblütig und ohne menschliche
Skrupel brutal zu Tode zu foltern, wie die Aussagen der Angehörigen
der Verschwundenen oder der verhafteten und verschleppten Personen, die das
Glück hatten zu überleben belegen, Aussagen, die in dem Bericht
der Defensoría del Pueblo „Das gewaltsame Verschwinden von Personen
in Peru“ festgehalten sind, wie zum Beispiel der folgende:
“ (….) ich konnte mich nur noch kriechend dahin schleppen, um meine Notdurft zu verrichten. Da bekamen sie einen Schreck, weil meine Wunde, die ich am Bein hatte, blutete, und sie sagten, daß sie einen Arzt holen würden. Da konnte ich aus dem Raum kriechen, wo ich war, und das gelang mir, weil ich so lange ohne richtige Nahrung war, daß die Handschellen, die meine Handgelenke festhielten und die am Anfang gedrückt hatten, so locker saßen, daß ich an diesem Tag meine Hände leicht herausziehen und mich von ihnen befreien konnte. Ich kroch unter den Autos in einem Innenhof hindurch, der sich neben dem Ort befand, wo ich festgehalten wurde und entdeckte einen roten Omnibus, der Personal der Kaserne transportierte, und versteckte mich auf dem Dach. Als der Bus um 19.30 Uhr die Kaserne „9. Dezember“ verließ, sprang ich zwischen den Avenidas Ayacucho und Amazonas auf die Straße. Dabei überfuhr mich fast ein Taxifahrer, doch als ich ihm alles erklärte, nahm er mich mit und brachte mich nach Los Proceres, von wo ich zu Fuß nach Hause gelangte (...)"
Dossier Nr. 11, Akte Nr. 1254, Seite 4 –5. Gerichtsbezirk
Junín. Aus: „Das gewaltsame Verschwinden von Personen in Peru (1980-1996)“
(La desapareción forzada de personas en el Perú. 1980-1996);
Defensoría del Pueblo (Ombudsman) von Peru, Dezember 2000, S. 144.
Der Fall eines zu Tode Gefolterten, dessen Leiche verschwand:
„Die übrigen Tage wurden sie beschimpft und bedroht, damit sie ein Geständnis ablegten, doch sie wurden nicht mehr so stark mißhandelt. Bis am 1. September 1991 der Unteroffizier Navarro, der Obergefreite Robles und der Gefreite García, andere, nicht identifizierte Soldaten und außerdem der Obergefreite Rosas in die Arrestzelle kamen. Der Zeuge stellt fest, daß die Männer scheinbar betrunken waren und begannen, auf sie beide gleichzeitig einzuschlagen. Während der Obergefreite Robles und der Gefreite García ihn verprügelten, schlugen der Unteroffizier Navarro und der Obergefreite Rosas seinen Cousin Efraín, bis dieser das Bewußtsein verlor. Sie blieben mit Schmerzen am ganzen Körper in dem Kerker zurück. Die Soldaten gingen, und kamen erst abends wieder, um nach ihrem Befinden zu sehen, und als der Unteroffizier feststellte, daß es Efraín sehr schlecht ging, gab er ihnen beiden eine Tablette. Im Laufe der Nacht bemerkte der Zeuge, daß sein Cousin nicht mehr sprechen konnte und nur noch röchelte. Am nächsten Tag wurden sie um 6 Uhr aufgeweckt und getrennt. Sein Cousin blieb in der Arrestzelle zurück und er wurde auf derselben Militärbasis in eine andere Zelle gesteckt, die neben der anderen lag, von wo aus er hörte, daß die Soldaten seinen Cousin Efraín ansprachen, doch dieser nicht reagierte. Am nächsten Tag, am 4. September kam der Major Rodriguez Tadeo in den Raum, wo sich der Zeuge befand, und fragte ihn, was ihm fehle. Er erzählte ihm, daß er schwer mißhandelt worden sei, und in dem Moment trat der Unteroffizier Navarro ein und gab als Erklärung an, daß sie Terroristen seien. Später um 14.30 Uhr wurden er und sein Cousin ins Freie geführt und zu einem von zwei zuvor angekommenen Militärtransportern gebracht, um sie nach Huaraz zu transportieren. Unterwegs blieb einer der beiden Wagen zurück, und so hielt der andere an einem Polizeiposten kurz vor Huaraz, dem Posten von Tacllan, um auf ihn zu warten, und während sie auf die Ankunft des anderen Wagens warteten, starb sein Cousin, der sich an ihn gelehnt hatte (...) Danach wurde die Leiche seines Cousins in die Kaserne von Huaraz gebracht. Er selbst wurde allein in eine Arrestzelle gesperrt. Was mit der Leiche seines Cousins geschah, weiß er nicht (...)"
Dossier 46 (Lima, Verletzung der Menschenrechte, Akte
113-93) ungebundene Akte , Aussage von F. B. S. M. vor der Sonderstaatsanwaltschaft
für Menschenrechte. Lima, 18. Februar 1993 Aus: „Das gewaltsame Verschwinden
von Personen in Peru (1980-1996)“ (La desapareción forzada de personas
en el Perú. 1980-1996); Defensoría del Pueblo (Ombudsman)
von Peru, Dezember 2000, S. 170-171.
Ein weiterer Bericht: Teil der Aussage der Ehefrau eines Verschwundenen,
die in der Veröffentlichung der Defensoría del Pueblo „Die Stimmen
der Verschwundenen“ abgedruckt ist. (Berichte von Angehörigen, S. 43-47.)
„Um 12 Uhr nachts am 1. Dezember drangen sie in unser Haus ein und sagten, er sei ein Terrorist, doch das war nicht wahr. Wenn es so gewesen wäre, hätte er nicht zu Hause in seinem Bett geschlafen. ... Er war 28 Jahre alt, ich 18. ... In jener Nacht schliefen wir. Wir wohnten in einem gemieteten Zimmer. Mein Mann war Schlosser. Wir hatten einen Laden, der auch gemietet war. Ich war noch nicht ganz eingeschlafen. Mein Mann schlief, doch plötzlich sagte er zu mir: „Ich glaube, jemand ist im Haus“. Ich dachte, daß es Einbrecher wären, doch das war ein Irrtum. Sie haben das Haus gestürmt. Die Tür aus Wellblech haben sie eingetreten. Es war die Polizei.
Als ich am nächsten Tag zum Kommissariat ging, haben sie mir gesagt: „Gestern Nacht sind alle zusammen, die Armee, die Guardia Republicana, der Nachrichtendienst auf Patrouille gegangen.“ Als sie ins Haus kamen, sagten sie: „Du mußt mitkommen“. Sie wollten auch nicht, daß wir das Licht anmachen. Und in dem Moment zerrten sie meinen Mann an den Haaren hoch. Als ich das sah, bin ich in Panik geraten und habe mich an meinen Mann, an seinen Pullover geklammert. Sie wollten ihn so mitnehmen, wie er war, mit dem, was er zum Schlafen anhatte, ohne Schuhe wollten sie ihn mitnehmen. Ich bin aufgestanden. Mein Baby schrie, der Kleine war ganz verzweifelt. „Warum wollt ihr meinen Mann mitnehmen? Er hat nichts getan.“ „Verdammte Terroristin, sei ruhig! Sonst blasen wir dir gleich das Gehirn aus“. „Warum? Was haben wir getan? Das ist unser Zuhause, wo ihr meinen Mann angetroffen habt. Mein Mann arbeitet hier“. Doch es nützte nichts. Sie haben ihn nicht gehen lassen. Da sagte mein Mann zu ihnen: „Ich werde mir etwas anziehen. Ihr wollt mich doch nicht etwa barfuß mitnehmen.“ Und da ich ihn an seinen Kleidern festhielt, hat mein Mann sich schnell seinen Pullover, seine Schuhe und seine Jacke angezogen. Da begannen sie ihn an den Haaren zu zerren, vor meinen Augen auf ihn einzuschlagen. „Verdammter Terrorist“, sagten sie zu ihm und beschimpften ihn, ... Ich habe mich an ihn geklammert: „Warum wollt ihr ihn mitnehmen?“ Da haben sie mir die Pistole an den Kopf gesetzt, doch nichts, ich hatte keine Angst in dem Moment. „Auch wenn ihr mich umbringt, ich werde ihn nicht loslassen. Ihr werdet ihn nicht mitnehmen“.
Daraufhin haben mich zwei gegriffen. Sie haben meine Hand weggezerrt. Meinen Finger haben sie mir verdreht. Ich bin hingefallen. Es waren fast 15 Männer mit Kapuzen, das Zimmer war voll. Sie begannen im Kleiderschrank alle unsere Sachen zu durchsuchen, warfen die Kleider auf den Boden, hoben das Bett hoch, und haben dabei sogar meine Kleine, mein Baby auf den Boden geworfen. Sie begannen auf der Matratze herumzuklopfen. Sie begannen zu suchen, doch sie haben nichts gefunden. „Was glaubt ihr, was ihr finden werdet? Nichts!“ Ich war ohnmächtig geworden. Sie haben mich wie eine Stoffpuppe auf den Boden geworfen. Ich weiß nicht, woran ich mich gestoßen habe, doch es scheint, ich bin bewußtlos gewesen. Als ich wieder zu mir kam, waren sie weg. Da habe ich gesehen, daß sie die Haustür festgebunden hatten. Mein Baby lag neben mir und weinte. Als ich zu mir kam, war die Kleine neben mir ... Alle unsere Sachen lagen auf dem Boden. Wir hatten ein bißchen Geld gespart und es zu Hause aufbewahrt, weil wir es nicht auf die Bank bringen wollten. Es war, um unser Grundstück zu bezahlen, und all das Geld haben sie mitgenommen. Auch unser Geld haben sie mitgenommen. Mein Vierjähriger weinte auch verzweifelt.
Am nächsten Tag, als es hell wurde, war mir alles egal. Sowie es hell wurde, ging ich zur Kaserne. Ich hatte als allererstes gefragt: „Wohin haben sie ihn gebracht? Wo kann ich ihn finden? Warum nehmen sie ihn mit?“ „Geh zur Kaserne“, sagte man mir, und darum bin ich am nächsten Tag zur Kaserne. Dort sagten sie mir: „Warum weinst du? Du verschwendest deine Tränen für einen Terroristen.“ Und sie beschimpften mich. Danach ging ich zur Kommandantur. Seit jenem Tag suche ich ihn, doch nichts. Am gleichen Tag habe ich Anzeige beim Staatsanwalt erstattet. Das alles habe ich am nächsten Tag gemacht ....“.
„Wir taten uns mit anderen Frauen zusammen, um Eingaben zu machen. In der Nacht hatten sie nicht nur meinen Mann abgeholt, sondern noch mehrere andere ... Wir waren die allerersten, die Eingaben machten.
Wieder zurück, habe ich gehört, daß in Infiernillo 9 Leichen liegen sollten, daß es einen Erdrutsch gegeben hätte. Dort bin ich auch hingegangen mit meinem Baby auf dem Rücken, und wir haben 5 Leichen entdeckt. Zusammen mit einigen anderen Frauen sind wir dort hingegangen, drei waren wir. Und ich bin hinuntergestiegen, ich weiß nicht wie, doch ich bin unten angekommen, und bei einem schien es mir, als sei er noch am Leben, als würde er atmen. Doch sie hatten ihn mit einem Messer in den Rücken gestochen, und dort wimmelte es von Würmern und es floß Blut heraus. Sie hatten ihn nackt ausgezogen, sie waren alle nackt, zwei Mädchen und drei Männer. Um sein Gesicht zu sehen, habe ich ihn umgedreht, das ganze Gesicht hatten sie ihm zerschnitten. Und sein Auge hatten sie ihm ausgestochen und Farbe über ihn geschüttet. Und so sahen die weiter unten auch aus.“
Und da sagte der Taxifahrer, der uns half: „Wenn sie sie in der Kaserne umbringen, bringen sie sie hierher und laden sie ab. Paßt auf, daß sie euch nicht entdecken, sonst bringen sie euch alle um.“ Und ich habe mir den Toten weiter angesehen und an seinem Fuß gesucht, denn mein Mann hatte eine Narbe. Als er Motorrad fuhr, hatte er sich verbrannt, so daß er dort eine große Narbe hatte. Danach habe ich bei allen gesucht, doch ich habe keine gefunden.
Und wo ist er? Bis heute wissen wir es nicht. Bis zu meinem Tod werde ich sagen, daß er vollkommen unschuldig war. Warum wird man ihn unnötig, für nichts, verschwinden lassen ...
Wir wollen von der Regierung, daß sie uns zuhört. Schon vor langer Zeit haben wir Gespräche verlangt, doch nichts mit Gesprächen. Wir werden nicht empfangen. Doch wir werden weiter darauf bestehen. Wir werden nicht ruhig sein, bis wir wissen, was mit ihnen passiert ist.“ Juli 2000
Aus: „Die Stimmen der Verschwundenen“ (“Las Voces des los Desaparecidos”), herausgegeben von der Defensoría del Pueblo (Ombudsman) von Peru, S. 43 ff.
Die übrigen Abschnitte des erwähnten Artikels beziehen
sich auf die Vermutung der Unschuld des Beschuldigten, solange seine Schuld
nicht gerichtlich festgestellt worden ist, das Verbot der Kontaktsperre außer
in Fällen, wo sie unerläßlich für die Aufklärung
eines Verbrechens ist und dann nur in der gesetzlich vorgeschriebenen Form
und Frist, sowie auf die Ungültigkeit von Aussagen, die durch Gewaltanwendung
erzwungen wurden und die Strafbarkeit eines solchen Vorgehens.
ÜBER DAS RECHT AUF EIN ANGEMESSENES VERFAHREN ODER EIN GERECHTES
VERFAHREN VOR EINEM UNPARTEIISCHEN GERICHT.
Auch dieses Recht ist in beiden Verfassungen, sowie in internationalen
Abkommen garantiert.
Die Verfassung von 1979 verfügt in Artikel 2, Absatz 20, Paragraph
L): „Keine Person kann einer anderen Gerichtsbarkeit unterzogen werden, als
nach dem Gesetz vorgeschrieben ist, oder von speziell eingerichteten Sondergerichten
und Sonderkommissionen abgeurteilt werden, welches auch immer ihre Bezeichnung
sein mag.“ Und im Artikel 233 werden die Garantien bei der Ausübung
der Gerichtsbarkeit festgelegt.
Die Verfassung von 1993 legt in Artikel 139, Absatz 3 fest: „Die Einhaltung
eines rechtmäßigen Verfahrens und der Gerichtshoheit.“
Im Artikel 11 der „Allgemeinen Erklärung für Menschenrechte“
heißt es: „Jeder, der wegen einer strafbaren Handlung beschuldigt wird,
hat das Recht, als unschuldig zu gelten, solange seine Schuld nicht in einem
öffentlichen Verfahren, in dem er alle für seine Verteidigung notwendigen
Garantien gehabt hat, gemäß dem Gesetz nachgewiesen ist.“
Und die „Amerikanische Konvention über Menschenrechte des Paktes
von San José, Costa Rica“ verfügt in Artikel 8 mit 5 Absätzen
und 7 Paragraphen die Gewährung aller rechtlichen Garantien, die ein
rechtmäßiges Verfahren und ein gerechtes Urteil sichern. Nichts
davon wurde angewandt, denn die Häscher und Entführer folterten,
richteten und verurteilten ihre Opfer und ließen sie verschwinden,
Verbrechen gegen die Menschlichkeit, für die der peruanische Staat geradestehen
muß, denn die Politik des Verschwindenlassens wurde konzipiert, um
die Subversion zu bekämpfen. Sie war eine Politik des Staates.
ÜBER DAS RECHT AUF DIE ANERKENNUNG DER RECHTSFÄHIGKEIT
DER PERSON.
Auch der peruanische Staat erkennt dieses Recht an. In Artikel 1 der Verfassung
von 1979 heißt es: „Der Mensch ist der oberste Zweck der Gesellschaft
und des Staates. Jeder hat die Verpflichtung, das menschliche Leben zu respektieren
und zu schützen.“ In Artikel 2 steht: „Jeder hat das Recht auf Leben,
auf einen eigenen Namen, auf den Schutz seiner Gesundheit und die freie Entfaltung
seiner Persönlichkeit ...“. Diese Rechte stimmen mit dem überein,
was Artikel 2, Absatz 20 der Verfassung festlegt, wo das Recht auf Freiheit
und Sicherheit der Person garantiert und in 13 Abschnitten jedes einzelne
dieser Rechte aufgeführt ist. Und in der Verfassung von 1993 steht
dasselbe. In Artikel 1 heißt es: „Der Schutz des Menschen und der
Respekt seiner Menschenwürde sind der oberste Zweck der Gesellschaft
und des Staates:“ Und Artikel 2, Absatz 1 besagt: „Jeder hat das Recht auf
Leben, auf eine Identität, auf moralische, psychische und körperliche
Integrität, freie Entfaltung seiner Persönlichkeit und Wohlstand
...“ Dies stimmt inhaltlich mit Absatz 24, Paragraph H des gleichen Abschnitts
überein.
Im Artikel 6 der „Allgemeinen Erklärung für Menschenrechte“
heißt es: „Jeder hat das Recht, überall als rechtsfähig
anerkannt zu werden.“
Und der „Pakt von San José, Costa Rica“ legt in Artikel 3 die Anerkennung
der Rechtsfähigkeit der Person fest: „Jeder hat das Recht auf die Anerkennung
seiner Rechtsfähigkeit.“
Wie wir sehen, beinhalten diese Gesetzestexte die Anerkennung einer Reihe
von Rechten, die der Mensch als soziales Wesen besitzt, vom Recht auf Leben
über das Recht auf den Schutz seiner moralischen, mentalen und körperlichen
Gesundheit bis hin zu juristischen, sozialen, wirtschaftlichen und politischen
Rechten der Person, das heißt, all die Grundrechte, welche die Völker
in langen Kämpfen in der Geschichte für die Menschheit erobert
haben.
DAS RECHT EINER JEDEN PERSON AUF DIE WAHRUNG IHRER GRUNDRECHTE
IM FALLE EINER VERHAFTUNG.
Das beinhaltet hauptsächlich, daß der Verhaftete eine menschenwürdige
Behandlung erhält, daß ihm das Recht auf Verteidigung und auf
Habeas-Corpus-Aktionen gewährt wird, daß er keiner entwürdigenden,
demütigenden Behandlung ausgesetzt und grausam und barbarisch zu Tode
gefoltert wird, wie es geschehen ist. In Artikel 234 der Verfassung von 1979
heißt es: „Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender
Behandlung unterworfen werden.“ „Jeder hat das Recht, vom Gericht die Anordnung
einer sofortigen medizinischen Untersuchung des Verhafteten zu verlangen,
wenn er glaubt, daß er Mißhandlungen ausgesetzt ist ...“
In Artikel 2, Absatz 24, Paragraph h) der Verfassung von 1993 heißt
es: „Niemand darf moralischer, psychischer und physischer Gewalt, Folter
oder unmenschlicher und erniedrigender Behandlung unterworfen werden. ...
Wer sie anwendet, macht sich strafbar.“
Die „Allgemeine Erklärung für Menschenrechte“ legt in Artikel
5 fest: „Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender
Behandlung oder Strafe unterworfen werden.“ Und die „Amerikanische Konvention
über Menschenrechte des Paktes von San José, Costa Rica“ schreibt
in Artikel 5. Absatz 2 vor: „Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher
oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden. Jeder verhaftete
Person muß mit der angemessenen Achtung behandelt werden, die der Würde
des Menschen entspricht.“
Nichts von dem, was in diesen Rechtsnormen festgelegt ist, wurde beachtet
oder gar angewandt. All das wurde übergangen. Der Fall von Efraín,
dessen Folterung von seinem überlebenden Cousin beschrieben wurde, wie
wir weiter vorn in diesem Text gesehen haben, belegt, was die Armee, die
Polizei und deren paramilitärische Hilfstruppen mit den Opfern machten,
bevor sie sie verschwinden ließen. In dem Bericht der Defensoría
del Pueblo gibt es sehr viele ähnliche Beschreibungen.
ÜBER DAS RECHT AUF LEBEN.
Diese Frage haben wir bereits in den vorigen Punkten behandelt.
Beide Verfassungen erkennen dieses Recht an, ebenso wie die internationalen
Abkommen. Die „Allgemeine Erklärung für Menschenrechte“ legt in
Artikel 3 fest: „Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der
Person.“ Und die „Amerikanische Konvention über Menschenrechte des
Paktes von San José, Costa Rica“ garantiert in Artikel 4 „das Recht
auf Leben“ und spezifiziert dies in 6 Absätzen. So heißt es im
1. Absatz: „Jeder hat das Recht auf den Schutz seines Lebens. Dieses
Recht wird durch das Gesetz geschützt und gilt generell vom Moment
seiner Zeugung an.“ Niemandem darf willkürlich das Lebens genommen werden.“
Doch der peruanische Staat mißachtete dieses Recht bei der Führung
seines antisubversiven Krieges. Er wandte eine Politik des Völkermords
an und ging so weit, Kinder und Jugendliche verschwinden zu lassen, wie im
Fall der beiden 15 und 17jährigen Brüder Paquiyauri im Juni 1990
in Lima, sowie schwangere Frauen, die Mehrheit von ihnen Bauern.
Seit 1983 herrschte der weiße Terror in Ayacucho, verbunden mit
dem Errichten von Konzentrationslagern und großen Folterzentren unter
der Kontrolle des Heeres, wie die Kaserne Los Cabitos in Ayacucho, in Totos,
in Cangallo, Coisa und Pichari und La Mar und Huanta unter Kontrolle der Marine.
Schwer Gefolterte wurden lebend begraben. Andere ließen sie Gräber
von mehr als 3 m Tiefe ausheben und stießen sie dann hinein. Ein Teil
wurde an Armen und Beinen gefesselt hineingeworfen. Die Körper der Gefolterten
wurden verstümmelt, bevor man sie tötete. Die Folter war brutal,
gnadenlos, und man schreckte nicht davor zurück, die abgeschlagenen Köpfe
auf Stangen gespießt auszustellen und den Rest der Leichen verschwinden
zu lassen. Selbst in Lima gab es Fälle wie den der beiden Studenten
José Abel Malpartida und Luis Alberto Alvarez, die lebend mit Sprengkörpern
in die Luft gesprengt wurden und deren Köpfe man in den Sanddünen
im Süden von Lima verstreute, während die Körper spurlos verschwanden.
Andere wurden verbrannt, nachdem sie gefoltert und ermordet worden waren
wie im Fall der Studenten der Universität La Cantuta. Massengräber
bergen die Reste der Verschwundenen, Massengräber, von denen man heute
immer noch neue entdeckt:
DAS RECHT AUF EIN FAMILIENLEBEN UND DAS RECHT AUF WIEDERGUTMACHUNG.
Sowohl die peruanische Verfassung von 1979 als auch die von 1993
erkennen diese Rechte als Teil der sozialen, ökonomischen und politischen
Rechte an. Innerhalb der gleichen Rubrik werden sie ebenfalls von der „Allgemeinen
Erklärung für Menschenrechte“ und der „Amerikanischen Konvention
über Menschenrechte des Paktes von San José, Costa Rica“ anerkannt.
Die Verschwundenen wurden durch ihre Festnahme und Verschleppung gewaltsam
ihren Familien und der sozialen Gruppe und Gemeinschaft, wo sie zu Hause
waren und ihr tägliches Leben verbrachten, entrissen.
Nicht nur das Opfer selbst, das den Verlust seiner Freiheit, seiner Familie,
Mißhandlungen, Demütigungen, Folter und Tod erlitt, wurde bestraft,
sondern seine Familie verlor oftmals auch ihren Ernährer, wenn es sich
bei den Verhafteten um den Vater oder die Mutter oder erwachsene Kinder handelte,
welche die Familie unterhielten, und diese geriet in wirtschaftliche Not.
Und wenn es sich um Jugendliche oder Kinder handelte, wurden ihre Zukunftsaussichten
zerstört. Die Situation der Ungewißheit, ob ihre Verwandten am
Leben oder tot sind, die unaufhörliche, jahrelange Suche unter anderem
unter den vielen Leichen mit Spuren, die zeigten, daß sie vor ihrem
Tod grausam gefoltert wurden, das Schweigen der Behörden als Antwort
auf ihre Fragen bedeuten eine ständige Qual für die Familien der
Verschwundenen, ein schwerer Schaden, der ihnen zugefügt worden ist
und ihre Gesundheit angreift, wie die von der Defensoría del Pueblo
veröffentlichten Aussagen der Angehörigen von Verschwundenen belegen.
Darum steht den Angehörigen das Recht auf eine umfassende Wiedergutmachung
zu, die Maßnahmen der Entschädigung für den schweren Schaden,
der ihnen entstanden ist, beinhaltet, ihnen aber auch Genugtuung verschafft.
DAS RECHT DER FAMILIE AUF AUSKUNFT ÜBER DIE SITUATION
UND DEN VERBLEIB IHRER VERSCHWUNDENEN ANGEHÖRIGEN.
Die Angehörigen der Verschwundenen haben stets von den Regierungen
Belaúnde Terry, García Pérez und Fujimori Fujimori gefordert,
Auskunft darüber zu erhalten, was geschehen ist, wo ihre vermißten
Verwandten sind, seit sie festgenommen und verschleppt wurden. Sie
wollen die Wahrheit wissen. Sie haben ein Recht zu erfahren, wo ihre Angehörigen
sind. Sie besitzen das Petitionsrecht, das im Artikel 2, Absatz 18 der Verfassung
von 1979 und in Artikel 2, Absatz 20 der derzeitigen Verfassung von 1993
garantiert ist und das den peruanischen Staat, die Regierung gesetzlich verpflichtet,
ihnen innerhalb einer angemessenen Frist eine schriftliche Antwort zu geben.
Und das ist unabhängig davon und steht in keiner Weise dem entgegen,
daß eine authentische Wahrheitskommission untersucht, was mit den
Tausenden unserer verschwundenen Angehörigen passiert ist. Der peruanische
Staat muß offenlegen, was mit den Opfern geschehen ist, die Ereignisse,
Umstände, Gründe, die zu ihrer Verhaftung und dem Verschwinden
führten und welches ihr endgültiges Schicksal war. Doch es ist
nicht nur das Recht der Familien der Verschwundenen, sondern das Recht des
ganzen Volkes, der ganzen Gesellschaft, die Wahrheit über die Ereignisse
zu kennen.
DAS RECHT AUF EIN WÜRDIGES BEGRÄBNIS.
Die Angehörigen haben das Recht, ihre Lieben zu begraben, ihnen ein würdiges Begräbnis zu geben und ihrer entsprechend ihrer Gebräuche, ihres Glaubens und ihrer rituellen Praktiken zu gedenken. Dafür ist es notwendig, daß sie über den Verbleib ihrer Verwandten informiert werden. Wenn sie tot sind, muß die Regierung enthüllen, wo ihre Reste sind und sie aushändigen, damit sie bestattet werden können und ihre Familien und die Gemeinschaft ihrer gedenken kann.
EINIGE DER VERSCHWUNDENEN IN PERU
1. – Unter der Regierung von Fernando Belaúnde Terry:
Die Brüder Yangali in Ríos, Ayacucho.
Efrén, Rechtsanwalt. Er suchte seinen Bruder in einer Militärkaserne
und wurde dort verhaftet. Beide verschwanden.
Alberto Loc Ekselshom. Ayacucho.
Mercedes Malpica. Ayacucho.
Teresa Durand Araujo. Am 28. August in Churucapampa, Hunacavelica.
Lourdes Cárdenas Lopez im Mai 1984 in Ayacucho in der Kaserne Los
Cabitos.
Carlota Tello Cuti. Dezember 1984 in Ayacucho.
Elvira Ramirez Aranda. Ayacucho.
Nelly Ayllón. Andahuaylas
Bruno Siccha Romaní. Ayacucho.
Die Brüder Mantilla Morales. Ayacucho.
2. Unter der Regierung von Alan García:
Santiago Castillo Cavero in Lima. 1986
José Vasquez Huayco. Rechtsanwalt in Lima 1986.
Ernesto Castillo Paez. Student an der Universidad Católica
José Asnarán. Professor an der Universidad Nacional de Ingeniería.
Carlos Yepes Rosas. Student aus Lima.
Mehr als 100 Verschwundene im Gefängnis El Frontón nach dem
Massenmord in den Gefängnissen, den die Armee auf Anordnung von García
Pérez verübte.
Die 69 Bauern, einschließlich Frauen und Kinder, die im August 1986
in Accomarca ermordet wurden und deren Leichen verschwanden.
Efraín Llamota. Callao 1990.
Lucas Tulich Morales. Huamachuco 1984.
Isabel Sánchez Covarrubias. Huamachuco 1984.
Oscar Delgado. Lima 1986.
Carmen Delgado. Lima 1987.
3.- Unter der Regierung von Alberto Fujimori Fujimori.
Wilfredo Terrones Silva, Rechtsanwalt, 1992 in Lima.
Justiniano Najarro Rua, Lehrer an der Universität von Huamanga.
Die Brüder Gómez Paquiyauri in Lima.
Sieben Lehrer, Kandidaten der IU (Vereinigte Linke) für die Stadtratswahlen
in Huancapi, Víctor Fajardo. Als sie am 19. April 1991 auf dem Nachhauseweg
waren, nachdem sie sich als Kandidaten registriert hatten, nahm eine Militärpatrouille
sie mit auf die Militärbasis, und sie kamen nicht wieder heraus.
9 Bauern der Ortschaft Santa: Jesús Noriega Ríos, die Brüder
Carlos und Jorge Tarazona, Gilmer León, Denis Castillo, Federico Coquis,
Pedro Pablo Gonzáles die Brüder Roberto und Carlos Barrientos
Velásquez, am 2. Mai 1993. Chimbote, Ancash.
Edith Galván Montero, Carlos Canales im Stadtteil Villa el Salvador
in Lima.
Meregildo Guerrero Huamán und Artemio Córdova Villegas.
Januar 1999 in der Dorfgemeinschaft Perico, Jaén, Cajamarca. Sie
wurden festgenommen als sie im Fluß Chinchipe fischten.
Der Professor Hugo Muñoz Sánchez und eine Gruppe von Studenten
der Universität La Cantuta. Sie wurden am 18. Juli 1992 auf dem Universitätsgelände
verschleppt und grausam gefoltert, ihre Leichen wurden verbrannt und verschwanden.
3 Gemeindevorsteher in Chuschi, Victor Fajardo, der Bürgermeister,
der Ratssekretär und der Gouverneur.
6 Personen wurden festgenommen und auf der Militärbasis von Puquio
gefoltert. Einer entkam, die restlichen verschwanden. August 1991.
Die Armee ließ im Distrikt von Cahuanca und in Ortschaften der Provinz
Caravelí, Arequipa, 15 Bauern verschwinden. August 1991.
2 Personen verschwanden auf den Ländereien von Bocanegra bei Lima.
September 1991.
Ein Führer der Partei Acción Popular in Junín. 1991.
2 Studenten der Universidad del Centro verschwanden. Ihre Leichen tauchten
viele Tage später auf und wiesen Anzeichen von Erstickungstod und Folterspuren
auf. 1991.
Hunderte von Verschwundenen in Junín, 1991.
Verschwundene in Pucallpa, Ucayali, 1991.
Verschwundene in Tarapoto in den Distrikten Morales Soritar und Naranjillo
und Ortschaften der Provinzen Chiclayo und Picota, San Martín.
Víctor Teobaldo Zorrilla Castilla, verschwunden in Ambo, Huánuco,
1990.
Olga Bejarano Bejarano, verschwunden in Cangallo 1992.
Norma Huamán Guisado. Cangallo Fajardo.
Ricardo Quintanilla, Puno, Azángaro 1996.
Juana Cosquillo Mercado. Lima.
Raúl Maguiña. Pachacamac, Lima. Führer der CUAVES.
SCHLUSSFOLGERUNGEN:
1. Der peruanische Staat ist direkt für das Verschwinden Tausender
von Personen während des internen Krieges in unserem Land verantwortlich,
Verbrechen, die von der Armee, der Polizei und seinen Hilfstruppen, den „Mesnadas“,
„Rondas“, Selbstverteidigungskomitees, paramilitärischen Gruppen etc.
verübt wurden.
2. Da der Staat der direkte Verantwortliche für das gewaltsame Verschwinden
von Personen in Peru ist, sollte er zu seiner Schuld stehen und den schweren
Schaden, den er den Opfern und ihren Familien zugefügt hat, wiedergutmachen,
indem er über den Verbleib und das endgültige Schicksal der Verhafteten,
Entführten und Verschwundenen informiert und im Fall, daß sie
tot sind, ihre Reste aushändigt.
3.- Der peruanische Staat als Verantwortlicher für die Politik des
Massenmords und des Verschwindenlassens von Personen im Zuge seines antisubversiven
Krieges hat die Verpflichtung, die Wahrheit über das Geschehene zu enthüllen.
Zu diesem Zweck sollte er eine authentische Wahrheitskommission einsetzen,
in der auch Vertreter der Angehörigen der Verschwundenen repräsentiert
sind.
BESCHLÜSSE:
1. Die an dieser Konvention teilnehmenden Organisationen und Einzelpersonen
beschließen, von der peruanischen Regierung die sofortige Lösung
der Probleme, die der Krieg hinterlassen hat, zu fordern, insbesondere die
Lösung des Problems der Verschwundenen, indem die Regierung über
den Verbleib und das endgültige Schicksal der Verhafteten, Entführten
und Verschwundenen informiert und im Fall, daß sie tot sind, ihren
Angehörigen ihre Reste übergibt und eine Entschädigung als
Wiedergutmachung für den schweren Schaden, den sie dem Opfer und seiner
Familie zugefügt haben, zahlen.
2. Die I. Konvention von Organisationen und Betroffenen für eine
authentische Wahrheitskommission beschließt, von der Regierung die
Bildung einer Wahrheitskommission zu verlangen, in der beide Seiten des
Konflikts und auch die Angehörigen der Verschwundenen repräsentiert
sind.
3. Die Konvention beschließt, daß das zwangsweise Verschwinden
als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestuft werden soll.
4. Wir verlangen vom peruanischen Staat, daß er die Amerikanische
Konvention gegen das zwangsweise Verschwinden von Personen unterzeichnet.
5. Wir beschließen, alle noch nicht angezeigten Fälle
von Verschwundenen zu untersuchen, Informationen zu sammeln und diese neuen
Fälle der nationalen und internationalen Öffentlichkeit bekannt
zu machen.
6. Wir beschließen, in unserer Arbeit nicht nachzulassen,
bis wir die Ereignisse aufgeklärt und die Verschwundenen gefunden haben.