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Berichtszeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2001
PERU
Amtliche Bezeichnung: Republik Peru
Staats- und Regierungschef: Alejandro Toledo (löste im Juli Valentín
Paniagua im Amt ab)
Hauptstadt: Lima
Einwohner: 26,1 Millionen
Amtssprachen: Spanisch, Ketschua, Aimará
Todesstrafe: für gewöhnliche Straftaten abgeschafft
Ratifikation / Unterzeichnung von Menschenrechtsabkommen in 2001: Zusatzprotokoll
zum UN-Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung
der Frau; Inter-Amerikanische Konvention über das zwangsweise verursachte
Verschwinden von Personen; Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs
Zahlreiche gewaltlose und möglicherweise gewaltlose politische Gefangene
blieben inhaftiert. Folterungen und Misshandlungen gaben nach wie vor Anlass
zur Besorgnis. Im Berichtszeitraum wurde eine Wahrheits- und Versöhnungskommission
zur Untersuchung von zwischen 1980 und 2000 begangenen Menschenrechtsverletzungen
eingesetzt. Personen, gegen die die Behörden auf der Grundlage von Gesetzen
zur Terrorismusbekämpfung Anklage wegen Landesverrats erhoben hatten,
mussten sich weiterhin vor Militärgerichten verantworten.
Hintergrundinformationen
Am 28. Juli trat Präsident Alejandro Toledo sein Amt an. Während
seiner Wahlkampagne und in seiner Rede anlässlich seiner Amtseinführung
hatte er versichert, die Straffreiheit bekämpfen und Menschenrechte
schützen und fördern zu wollen. Erstmals in der jüngeren Geschichte
des Landes wurde ein Zivilist zum Verteidigungsminister ernannt.
Während seiner ersten Monate im Amt traf Staatschef Alejandro Toledo
zu Gesprächen mit Vertretern mehrerer politischer Parteien zusammen,
um ein nationales Bündnis zur Regierungsfähigkeit herbeizuführen.
Themen der Gespräche waren Verfassungsreformen, die Reform der Streitkräfte
sowie Fragen der Sicherheit, Dezentralisierung und Bildung. Darüber
hinaus gab die Regierung von Alejandro Toledo die Zusage ab, dass spätestens
bis zum Ende ihres Mandats jeder Bürger des Landes Zugang zu kostenloser
Gesundheitsversorgung haben soll.
Vorliegenden Meldungen zufolge war die Oppositionsgruppe Leuchtender Pfad
2001 in den Departements von Ayacucho, Junín, Huanuco und San Martín
weiterhin aktiv. Im Oktober sollen bei einem Überfall durch Angehörige
dieser Gruppe auf eine Gemeinde der Ashaninka-Indianer im Departement Junín
mindestens drei Personen umgekommen sein. In weiteren Berichten war davon
die Rede, dass die Behörden ebenfalls im Oktober mindestens drei Angehörige
des Leuchtenden Pfades im Departement Huanuco festgenommen haben.
Menschenrechtsverletzungen durch die frühere Regierung
Im Juni wurde Vladimiro Montesinos, der den ehemaligen Präsidenten Fujimori
in Geheimdienstangelegenheiten beraten hatte, in Venezuela festgenommen und
nach Peru zurückgeführt, wo er wegen Menschenrechtsverletzungen,
darunter auch schwere Körperverletzung und Totschlag, sowie wegen Geldwäsche
und Korruption unter Anklage stand. Bei Jahresende befand er sich in der
Marinebasis Callao in Haft und wartete auf sein Gerichtsverfahren. In Callao
wurden auch Anführer der beiden bewaffneten Oppositionsgruppen Leuchtender
Pfad und Revolutionäre Bewegung Túpac Amaru festgehalten.
Mehrere Militäroffiziere, die dem Kabinett von Alberto Fujimori angehört
hatten, sowie Personen, die während seiner Amtszeit Parlamentsabgeordnete,
Regierungsbeamte und Staatsbedienstete gewesen waren, wurden wegen Betrugs,
Korruption und Geldwäsche unter Anklage gestellt. Einige von ihnen warteten
im Gefängnis auf die Eröffnung ihrer Gerichtsverfahren, andere
wurden gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt.
Im Berichtsjahr bestätigten die japanischen Behörden, dass der
im November 2000 nach Japan geflohene Alberto Fujimori die japanische Staatsangehörigkeit
besitzt. Im September erhob der Generalstaatsanwalt Perus offiziell Anklage
gegen den ehemaligen Staatschef, dem er den 1991 in Barrios Altos in Lima
begangenen Mord an 15 Personen sowie das "Verschwinden" und die Ermordung
von neun Studenten und einem Professor der Universität La Cantuta in
Lima 1992 anlastete. Im September ordnete ein Richter des Obersten Gerichtshofes
die Festnahme von Alberto Fujimori an. Diese begründete er mit dem Vorliegen
überzeugender Beweise dafür, dass der ehemalige Regierungschef
umfassende Kenntnis von der Existenz der dem peruanischen Geheimdienst nahe
stehenden Todesschwadron Grupo Colina gehabt hatte, der diese Verbrechen
angelastet wurden. Bis Jahresende hatte Peru noch keinen Auslieferungsantrag
gestellt. Die japanischen Behörden beharrten darauf, dass japanische
Staatsangehörige grundsätzlich nicht ausgeliefert werden können.
Straffreiheit
Im März entschied der Inter-Amerikanische Gerichtshof für Menschenrechte,
dass die im Jahr 1995 erlassenen peruanischen Amnestiegesetze gegen die Amerikanische
Menschenrechtskonvention verstoßen und deshalb in all jenen Fällen,
in denen in der Konvention verankerte Rechte verletzt worden sind, als rechtsunwirksam
angesehen werden müssen. Im September erklärte der Inter-Amerikanische
Menschenrechtsgerichtshof, die peruanischen Behörden seien verpflichtet,
dieser Entscheidung zu folgen und sicherzustellen, dass alle zwischen 1980
und 1995 begangenen Menschenrechtsverletzungen aufgeklärt und die Verantwortlichen
vor Gericht zur Rechenschaft gezogen werden.
Im Juni hatte die Übergangsregierung von Valentín Paniagua mittels
eines Dekrets die Einsetzung einer Wahrheitskommission mit dem Auftrag beschlossen,
die Umstände der dem Staat angelasteten Menschenrechtsverletzungen und
der von bewaffneten Oppositionsgruppen zwischen Mai 1980 und November 2000
begangenen Übergriffe aufzuklären. Sobald die Kommissionsmitglieder
ernannt seien, so das Dekret, hätten sie 90 Tage Zeit, um die nötigen
formellen Regeln auszuarbeiten, an denen sich ihre Tätigkeit orientieren
sollte. Die Regierung von Alejandro Toledo benannte die Bezeichnung der Kommission
in Wahrheits- und Versöhnungskommission um und erhöhte die Anzahl
ihrer Mitglieder auf zwölf. Bis September waren alle Mitglieder ernannt,
und Ende Oktober machte die Kommission ihre Geschäftsordnung publik,
auf deren Grundlage sie Zugang zu sämtlichen offiziellen Akten in den
Händen von Justiz, Ministerien und dem Militärjustizsystem erhalten
soll. Gleichwohl wurden Befürchtungen geäußert, dass die
Kommission möglicherweise nicht mit den notwendigen personellen und
materiellen Ressourcen ausgestattet wird, um die ihr vorgelegten Beweise
für Menschenrechtsverletzungen eingehend, wirksam, zügig und landesweit
prüfen zu können.
Massengräber
Im Berichtszeitraum wurden in den Departements Ancash, San Martín,
Huancavelica, Apurimac, Ayacucho und Lima zahlreiche Massengräber entdeckt,
die nach vorliegenden Meldungen aus dem Zeitraum zwischen 1980 und Mitte
der 90er Jahre datieren. Während dieser 15 Jahre waren Tausende Personen
"verschwunden" und von Angehörigen der Sicherheitskräfte extralegal
hingerichtet worden, und bewaffnete Oppositionsgruppen hatten ihrerseits
schwere Menschenrechtsverstöße begangen. Der Ombudsmann und mit
ihm peruanische Menschenrechtsorganisationen äußerten sich besorgt
darüber, dass die Untersuchungen der Hunderte in diesen Gräbern
entdeckten Leichen infrage stehen könnten, da die Beweise zum Teil aufgrund
des Versäumnisses der Behörden, die Fundorte hinreichend zu schützen
und ausreichend abzusichern, manipuliert worden seien.
Gewaltlose politische Gefangene
Im Berichtsjahr setzten die Behörden mindestens 200 gewaltlose und möglicherweise
gewaltlose politische Gefangene, die ausnahmslos auf der Grundlage der Gesetze
zur Terrorismusbekämpfung inhaftiert waren (siehe unten), auf freien
Fuß. Mindestens weitere 100 gewaltlose und möglicherweise gewaltlose
politische Gefangene, denen vergleichbare Straftaten angelastet worden waren,
blieben jedoch in Haft. Die meisten von ihnen befanden sich aufgrund von
Entscheidungen der Regierung von Alberto Fujimori bereits mehr als fünf
Jahre unter falschen Anklagen im Gefängnis. Es bestand Besorgnis, dass
die neue Administration diese Fälle nicht zügig bearbeitet hat.
Politische Gefangene und die Anti-Terrorismus-Gesetze
Die 1992 in Kraft getretenen Gesetze zur Terrorismusbekämpfung, auf
deren Grundlage Personen wegen "Landesverrats" vor Militärgerichte gestellt
werden können, entsprachen weiterhin nicht den internationalen Standards
für faire Prozesse. Unter Berufung auf diese Bestimmungen sind Hunderte
politische Gefangene wegen "Landesverrats" von weder unabhängigen noch
unparteiischen Militärgerichten verurteilt worden. In einigen wenigen
Fällen wurden die gegen die Betroffenen verhängten Urteile aufgehoben
und ihre Verfahren in die Zuständigkeit der zivilen Justiz verwiesen.
2001 verhängte ein Gericht der zivilen Justiz gegen die amerikanische
Staatsbürgerin Lori Berenson auf der Grundlage der Anti-Terrorismus-Gesetze
eine 20-jährige Freiheitsstrafe. Bereits 1996 hatte ein Militärgericht
die Amerikanerin zu lebenslanger Haft verurteilt. Der Oberste Rat der Militärjustiz
hatte dieses Urteil im Jahr 2000 jedoch wieder aufgehoben und ihren Fall
an ein Gericht der zivilen Justiz verwiesen. Ende des Berichtszeitraums waren
Rechtsmittel gegen die Verurteilung von Lori Berenson weiterhin anhängig.
Auch der Fall der vier chilenischen Staatsangehörigen Jaime Castillo,
Laurato Mellado, María Concepción Pincheira und Alejandro Astorga,
die ein Militärgericht 1994 zu Freiheitsstrafen verurteilt hatte, wurde
an die zivile Justiz verwiesen. Der Inter-Amerikanische Menschenrechtsgerichtshof
hatte 1999 befunden, dass die vier Personen nach einem unfairen Gerichtsverfahren
verurteilt worden waren und ein Wiederaufnahmeverfahren erhalten müssen.
Dieser Prozess war Ende des Berichtsjahres noch anhängig.
Folterungen und Misshandlungen
Berichte sprachen von Folterungen und Misshandlungen, die in mindestens einem
Fall den Tod des Opfers zur Folge hatten. Es bestand erhebliche Besorgnis,
dass Vorwürfe über erlittene Folterungen und Misshandlungen nicht
dazu führten, dass die Verantwortlichen vor Gericht gebracht oder die
Opfer entschädigt wurden. Obwohl das Gesetz, welches Folterhandlungen
zu Straftaten erklärt, bereits 1998 in Kraft getreten war, hatten Gerichte
lediglich in zwei Fällen Personen, denen man Folterungen anlastete,
auf der Grundlage dieses Gesetzes verurteilt. Darüber hinaus mussten
die Opfer sowie ihre Angehörigen und Zeugen mit Einschüchterungsversuchen
und Schikanen rechnen. Einige der aufgrund von Folterungen oder Misshandlungen
erhobenen Beschwerden wurden deshalb wieder zurückgezogen.
Im Mai wurde Jenard Lee Rivera San Roque von Polizisten der Wache Cruz Blanca
in Huaura im Departement Lima unter Diebstahlsverdacht festgenommen. Neun
Beamte, von denen acht Zivilkleidung trugen, brachten ihn nach Hause. Dort
verabreichten sie ihm zunächst mit einer Kette schwere Schläge
und zwangen ihn anschließend, im Hof hinter seinem Haus nach angeblich
von ihm dort versteckten Diebesgut zu graben. Später brachten sie Jenard
Lee Rivera auf die Wache zurück, wo er kurz darauf tot in seiner Zelle
aufgefunden wurde. Polizeiangaben zufolge hatte er sich aufgehängt.
Bei den in seinem Gesicht und am Körper festgestellten Verletzungen
handelte es sich jedoch offensichtlich um Spuren von Folterungen. Nachdem
seine Familienangehörigen am 22. Juni offiziell Beschwerde wegen der
Folterungen an Jenard Lee Rivera San Roque eingelegt hatten, berichteten
sie wiederholt über Schikanen und Einschüchterungsversuche. Ende
des Berichtszeitraums hatte die Justiz ihre Untersuchung des Falles noch
nicht abgeschlossen.
Die Haftbedingungen in Peru waren weiterhin hart und kamen in manchen Fällen
grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung gleich. Das Challapalca-Gefängnis
blieb ungeachtet der Forderungen der Inter-Amerikanischen Menschenrechtskommission
nach seiner endgültigen Schließung weiter in Betrieb. Die Unzugänglichkeit
des im Departement Puno in einer Höhe von über 4600 Metern über
dem Meeresspiegel in extremer Kälte gelegenen Gefängnisses untergrub
massiv das Recht der Gefangenen auf Kontakte mit der Außenwelt, wie
Besuche von Familienangehörigen, Verteidigern und Ärzten. Im September
wurden etwa 30 politische Gefangene, die die Kontrolle über einen Trakt
des Hochsicherheitsgefängnisses Yanamayo im Departement Puno übernommen
hatten, in das Challapalca-Gefängnis verlegt. Nach amnesty international
vorliegenden Meldungen hatten sie sich damit gegen ihre vorgesehene mehrmonatige
Verlegung in andere Gefängnisse während der anstehenden Renovierung
der Haftanstalt gewehrt. Bis Ende des Berichtsjahres waren sie noch nicht
wieder zurück nach Yanamayo oder in andere Gefängnisse verlegt
worden.
Frauen
Im Juli 2001 brachte die damalige Frauenministerin einen landesweiten Aktionsplan
zur Verhinderung von Gewalt gegen Frauen auf den Weg, dem zufolge nach vorliegenden
Berichten innerhalb von fünf Jahren Frauenhäuser eingerichtet und
zusätzliche Mittel für die Rechtsberatung und psychologische Unterstützung
von Frauen bereitgestellt werden sollen, die bei der Polizei Anzeige wegen
erlittener Gewalt erstatten.
Im September drängten Frauenorganisationen und Menschenrechtsverteidiger
die Behörden, den Vorwürfen des Gesundheitsministeriums nachzugehen,
denen zufolge der frühere Staatschef Alberto Fujimori an der Planung
der Zwangssterilisation von Frauen unmittelbar beteiligt gewesen ist. Im
Zeitraum von 1996 bis 1997 war das Komitee Lateinamerikas und der Karibik
zur Förderung der Frauenrechte bekannt gewordenen Fällen von Gewalt
gegen Frauen im öffentlichen Gesundheitswesen nachgegangen. Dabei förderte
es Beweise dafür zutage, dass die in extremer Armut und in ländlichen
Gebieten lebenden Frauen unter Vorspiegelung falscher Tatsachen, Drohungen,
Einschüchterungsversuchen und Nötigung zwangssterilisiert worden
sind. Einige der Opfer sind nach vorliegenden Meldungen an den Folgen dieses
medizinischen Eingriffs gestorben. Die Komiteemitglieder berichteten, dass
Mitarbeiter der Gesundheitsfürsorge die armen Frauen in ländlichen
Gebieten dazu missbraucht haben, die von der Regierung vorgeschriebenen Sterilisationsquoten
zu erreichen. Zwischen 1998 und 2000 sind dem Amt des Ombudsmannes unzählige
Beschwerden zwangssterilisierter Frauen zugegangen.
Quelle: amnesty international, Sektion der Bundesrepublik Deutschland