Jose Carlos Mariátegui      PERU KÄMPFT
UNA PUBLICACION DEL CIRCULO DE TRABAJO MARIATEGUI  EN ESPAÑOL Y ALEMAN
Peru kämpft
Nr. 11
Die Auswirkungen des "Krieges gegen den Terrorismus" auf Lateinamerika

Der von der US-Regierung ausgerufene "Krieg gegen den Terrorismus" stärkt den reaktionären Regimes in Lateinamerika den Rücken für eine Politik der harten Hand gegenüber den sozialen Protesten und politischen Kämpfen des Volkes. Insbesondere in Kolumbien und Peru, den beiden Ländern, in denen sich in den letzten Jahrzehnten der bewaffnete Kampf entwickelte, zeichnet sich eine Verhärtung der Fronten ab, die eine politische Lösung des Konfliktes zu verhindern drohen.

Am 5. Oktober 2001, einige Wochen nach den Anschlägen vom 11. September, veröffentlichte das Außenministerium der USA eine Neuausgabe seiner Liste der zu bekämpfenden Terrorgruppen im Ausland, die gewöhnlich im Frühjahr erscheint. Sie enthält die Namen von 28 Organisationen, in der Mehrzahl radikale Islamisten, daneben aber auch nationale Befreiungsbewegungen wie die ETA und die LTTE (Liberation Tigers of Tamil Eelam) und Organisationen, die sich auf den Marxismus berufen, wie die PKK (Kurdische Arbeiterpartei), die türkische DHKP/C, die palästinensische PFLP, die kolumbianischen Guerrillagruppen FARC und ELN sowie die PCP (Kommunistische Partei Perus). In der derzeitigen Konjunktur kommt dieser Liste naturgemäß eine besondere Bedeutung zu, denn sie kennzeichnet die Stoßrichtung des Vorgehens der USA und ihrer Verbündeten: Ihre Hauptangriffsziele sind der Mittlere und der Nahe Osten, sowie Lateinamerika. Auf einem Treffen der CICTE (Comité Interamericano contra el Terrorismo), einer Unterorganisation der OAS, vom 15. Oktober sprach der "Anti-Terrorismus-Koordinator" des US-Aussenministeriums Francis Taylor offen davon, dass in Kolumbien und anderen Staaten Lateinamerikas jetzt eine ähnliche Strategie verfolgt werden müsse wie in Afghanistan. Die US-Botschafterin Anne Patterson erklärte: "Es gibt keinen Zweifel daran, daß wir uns jetzt auch mehr dem Terrorismus in Kolumbien widmen werden", denn auch wenn die kolumbianischen Gruppen keine globale Reichweite hätten, so übten sie ebenfalls Terror aus. Gleichzeitig forderte sie die Auslieferung der politischen Führer der beiden großen Guerillaorganisationen FARC und ELN und kündigte eine Erhöhung der Militärhilfe, die verstärkte Kooperation bei der Ausbildung von Elitetruppen zur Terrorbekämpfung, sowie eine Ausweitung der Anti-Drogen-Kampagne der US-Armee im Rahmen des sogenannten "Plan Colombia" an, in den die USA seit dem Jahr 2000 jährlich 1,3 Milliarden Dollar investieren. Obwohl offiziell dessen vorrangiges Ziel der Kampf gegen den illegalen Drogenhandel ist, machte die amerikanische Regierung nie ein Hehl daraus, daß er sich hauptsächlich gegen die linken Guerrillagruppen richtet, da diese sich angeblich vor allem mit Drogengeldern finanzieren, was es ermöglicht, die US-amerikanische Intervention als Anti-Drogen-Programme zu tarnen. Im März 2002 legte die Regierung Bush einen neuen Plan vor, der vorsieht, den "Plan Colombia" zur sogenannten regionalen "Anden-Initiative" auszuweiten, durch die vor allem Peru und Bolivien und in geringerem Maße Panama, Brasilien, Venezuela und Ecuador in den "Kampf gegen Drogenhandel und Terrorismus" mit einbezogen werden sollen. Wie in Kolumbien zielt dieser Plan im wesentlichen auf die Stärkung der repressiven Kräfte des Staates ab. Er beinhaltet unter anderem die Verbesserung der Ausrüstung von Polizei und Militär, die Ausbildung von Spezialeinheiten, die logistische und personelle Unterstützung von Kontrollflügen, die Entsendung von Spezialagenten und Militärberatern, die Errichtung von Militärstützpunkten in Peru, Ecuador und Bolivien, sowie die Zerstörung der Anbauflächen von Coca und Mohn, den Rohstoffen für die Drogenherstellung. Die Einbeziehung der Nachbarländer Kolumbiens in die "Drogenpolitik" der USA wird damit begründet, daß die Grenzregion als Rückzugsgebiet und Transportweg der Drogenhändler und "Terroristen" diene. Unterstrichen wird dies durch eine Kampagne, die von einer angeblichen "Internationalisierung" des Terrorismus spricht. Beispielsweise wurde die Einreise angeblicher Mitglieder der IRA oder der ETA nach Kolumbien in der Öffentlichkeit hochgespielt, indem Vermutungen über Kontakte dieser Organisationen mit der FARC und der ELN angestellt wurden. Daneben rechtfertigen die USA ihre verstärkte Intervention in Lateinamerika mit dem Standardargument zur Rechtfertigung bewaffneter Aggressionen gegen andere Länder, der angeblichen Verteidigung der Demokratie und der Menschenrechte, denn nach Auslegung des Imperialismus "verachten die Terroristen die Persönlichkeitsrechte, lehnen die Menschenwürde und die Grundrechte ab, verabscheuen die Meinungs- und Religionsfreiheit und verweigern den Frauen das Recht auf Bildung und ein eigenes Einkommen", so der US-Staatssekretär im Justizministerium John Ashcroft in einer Rede vor der CICTE vom 28. Januar 2002. Angesichts der Tatsache, daß die USA noch nie Bedenken gezeigt haben, korrupte Regime oder Militärdiktaturen zu stützen, solange sie sich ihren Interessen unterordneten, und in der Vergangenheit auch keinerlei Veranlassung sahen, gegen die Repression des Volkes, Massaker und Völkermord krimineller Regierungen einzuschreiten, erscheint diese Darstellung ein blanker Hohn. Das eigentliche Ziel der Pläne der USA ist vielmehr, die Kontrolle des US-Imperialismus über die Region zu sichern und zu konsolidieren. Dabei setzt er vor allem auf eine repressive Politik und verstärkte militärische Präsenz, sowie auf kooperationswillige, amerikatreue Regierungen in den betroffenen Ländern.

Dieser Kurs kommt den reaktionären Regimes der lateinamerikanischen Staaten sehr gelegen, um der wachsenden Protestwelle gegen die Auswirkungen der katastrophalen Wirtschaftskrise entgegen zu treten, die Lateinamerika als Folge von Neoliberalismus und Globalisierung derzeit erlebt. Darum griffen sie die weltweite Kampagne des US-Imperialismus mit besonderem Eifer auf. Eine erste Reaktion auf die Anschläge des 11. September war eine einmütige und bedingungslose Solidaritätserklärung aller lateinamerikanischen Regierungen außer Kuba mit den USA, die in den folgenden Wochen auf internationalen Treffen im Rahmen der OAS (Organisation amerikanischer Staaten), der UNO und anderer Organisationen bekräftigt und durch den Beschluß konkreter Maßnahmen ergänzt wurde. Zum ersten Mal in der Geschichte wurde das Abkommen von Rio angewandt, indem die Anschläge in den USA zum Angriff auf alle Unterzeichnerstaaten erklärt wurden. Am 21. September kamen die Außenminister der OAS-Staaten in Washington zu einer Sondersitzung zusammen, um Unterstützungsmaßnahmen für die US-Aggression gegen Afghanistan zu beraten, aus der eine Resolution über eine Ausweitung der Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terrorismus und den Drogenhandel hervorging.

Die peruanische Regierung nutzte die Gunst der Stunde, um den internationalen Ruf Perus aufzubessern, der durch den Autoritarismus der zehnjährigen Regierungszeit Fujimoris gelitten hat. Dazu trugen nicht nur die systematische Verletzung der Grundrechte und die Unterhöhlung des bürgerlichen Rechtsstaates nach Fujimoris Staatsstreich vom 5. April 1992 bei, sondern auch diverse Verstöße gegen internationale Abkommen wie die Wiedereinführung der Todesstrafe. Die Menschenrechtskommission der OAS beschäftigte sich seit Ende der achtziger Jahre ständig mit Klagen gegen die peruanische Regierung und stellte in einer Vielzahl von Einzelfällen eine Verletzung der Menschenrechte fest. Ab 1990 erhob sie diverse Anklagen vor dem Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der eine Reihe von Urteilen gegen die peruanische Regierung fällte. Doch Fujimori verweigerte wiederholt die Anerkennung von Urteilen des Gerichtshofes und verlangte schließlich im Juli 1999 von der Jurisdiktion des Interamerikanischen Gerichtshofes ausgenommen zu werden.

Die Regierung Toledo, die am 28. Juli 2001 ihr Amt antrat, versprach, einige der gröbsten Verstöße gegen die Grundsätze des bürgerlichen Rechts zu korrigieren, um den Forderungen der Menschenrechtskommission der OAS zu entsprechen, und nutzte im übrigen die Konjunktur nach dem 11. September für die Werbung um Verständnis für die verbrecherischen Methoden des peruanischen Staates bei der Bekämpfung der Subversion. "Wir kennen aus eigener Erfahrung den Schmerz, die Ohnmacht und die Empörung, die eine Nation empfindet, wenn sie auf derart infame Art von einem Feind angegriffen wird, der nicht sein Gesicht zeigt", so der UNO-Repräsentant der peruanischen Regierung Oswaldo de Rivero in einer Rede vor der UNO-Vollversammlung am 3. Oktober 2001. Indem er den Volkskrieg in einem Atemzug mit den Angriffen auf die USA vom 11. September nennt, versucht er die jahrelange systematische Politik des Völkermords zu rechtfertigen, die der peruanische Staat von Anfang an als wichtigstes Instrument gegen den Volkskrieg einsetzte. In Fortsetzung der gängigen Praxis, die Verantwortung für die Gräueltaten des Staates der Gegenseite zuzuschieben, erklärt er den "Terrorismus" aufgrund "seiner barbarischen Methoden, seiner schonungslosen Gewaltanwendung gegen Unschuldige und seiner Verachtung von Menschenleben" zum "Hauptverantwortlichen für die Verletzung der Menschenrechte". Und darum verliert seiner Meinung nach "jedwedes Anliegen, durch das der Terrorismus gerechtfertigt wird, aufgrund des inhumanen Charakters seiner Methoden zwangsläufig seine Legitimation". Auf diese Art wird einmal mehr das höchste politische Recht, das Recht des Volkes auf den Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung, bestritten. Doch damit nicht genug. Darüber hinaus erklärt er die peruanische Regierung zum Vorreiter des erfolgreichen Kampfes gegen den Terrorismus, stellt die systematische Politik des Völkermords als beispielhaft dar und beklagt die mangelnde internationale Solidarität für diese Linie, wenn er sagt: "Der Kampf, den mein Land in früheren Jahren gegen den Terrorismus geführt hat, wäre leichter gewesen und hätte weniger Menschenleben gefordert, wenn die internationale Gemeinschaft seinerzeit diese Realität verstanden hätte. Trotzdem ist es uns gelungen, den Terrorismus zu besiegen, und wir sind bereit, unsere Erfahrung in den Dienst der internationalen Gemeinschaft zu stellen." Damit verfolgt die peruanische Regierung einen außenpolitischen Kurs weiter, der bereits Mitte der neunziger Jahre begann und darauf abzielt, internationalen Rückhalt für ihre Methoden des antisubversiven Kampfes zu erlangen und kritische Stimmen zum Verstummen zu bringen. Nicht von ungefähr war die peruanische Regierung eine der Haupttriebkräfte hinter der "Declaración de Lima para prevenir, combatir y eliminar el terrorismo" ("Erklärung von Lima über die Vorbeugung, den Kampf und die Eliminierung des Terrorismus") von 1996, in deren Folge die CICTE entstand, und drängte seitdem die OAS, eine gemeinsame Konvention gegen den Terrorismus zu beschließen. Im Zuge des "Krieges gegen den Terrorismus", den die US-Regierung nach dem 11. September verkündete, nahmen die OAS-Staaten diesen Vorschlag an und beauftragten den peruanischen Außenminister zur Ausarbeitung eines Entwurfs, den dieser Anfang November vorlegte. Nach dieser Vorlage verpflichten sich die Mitgliedstaaten im Fall der "Androhung, Aufforderung, Unterstützung, direkten oder indirekten Beteiligung, Anstiftung, Verschleierung und Beihilfe zu einem oder mehreren Terrorakten" gegen die Bevölkerung eines der Mitgliedstaaten zur Zusammenarbeit, zum Informationsaustausch und zur gegenseitigen Unterstützung. Die wichtige Rolle, die der US-Imperialismus der peruanischen Regierung einräumt, wurde durch den Besuch von Bush am 23. März 2002, dem ersten Staatsbesuch eines US-Präsidenten in der Geschichte des Landes überhaupt, bestätigt. Er war verbunden mit einem Treffen mit den Regierungschefs der übrigen Mitgliederländer des Andenpakts mit Ausnahme von Venezuela verband, bei dem es darum ging, "auf höchster Ebene die strategische Allianz gegen Armut, Drogenhandel, Korruption, Terrorismus und andere Bedrohungen zu besiegeln", wie der peruanische Außeminister García Sayan verkündete.

Im Inneren dient der "Krieg gegen den Terrorismus" den Regierungen als politischer Vorwand, um nicht nur jede kritische Äußerung gegen den US-Imperialismus, sondern auch jede Opposition gegen ihre Pläne und mehr noch die sozialen Bewegungen des Volkes als "Terrorismus" abzustempeln und gewaltsam zu unterdrücken. Wie auch andernorts wird versucht, die Kritiker der imperialistischen Aggression gegen Afghanistan zum Schweigen zu bringen, indem man sie der Verhöhnung der Opfer der Anschläge vom 11. September und einer Unterstützung des Terrors beschuldigt. So im Fall von El Salvador, wo eine Sprecherin der US-Botschaft die längst ins bürgerlich-parlamentarische System integrierte FMLN in die Nähe der Taliban rückte, weil einige ihrer Vertreter es gewagt hatten, den Einsatz von Gewalt seitens der USA zu kritisieren. Gleichzeitig wird versucht, im Namen der inneren Sicherheit und des nationalen Zusammenhalts wirtschaftliche Restriktionen und eine Aufrüstung von Polizei und Militär durchzusetzen. Mehrere Länder, darunter Chile, Ecuador, Kolumbien und Peru beschlossen die Reaktivierung, bzw. die Erweiterung ihrer Anti-Terroreinheiten. In Kolumbien verkündete die Regierung von Pastrana trotz fortlaufender Friedensverhandlungen mit den Guerrillas der FARC und der ELN eine Politik der Stärke und zählt dabei auf die Rückendeckung der US-Regierung. Inzwischen brach die Regierung die Friedensgespräche im Februar 2002 einseitig ab und ordnete das Vorrücken der Armee in die bis dahin aufrecht erhaltenen entmilitarisierte Zone an.

In Peru versucht die Regierung die Situation zu nutzen, um ihre Vorstellungen von der "Pazifizierung" des Landes durchzusetzen. Nachdem über Monate eine relativ günstige Konjunktur für die politische Lösung der durch den internen Krieg bedingten Probleme herrschte, nutzte die peruanische Regierung das politische Klima nach dem 11. September, um eine reaktionäre Wende zu vollziehen. Diese kommt nicht überraschend. Seit die Führung der PCP Ende 1993 Friedensverhandlungen zu einer friedlichen Beilegung des internen Konflikts vorschlug, spielte die peruanische Regierung ein doppeltes Spiel, indem sie einerseits ihre Bereitschaft zu einer politischen Lösung verkündete, andererseits aber ihre sogenannte "Pazifizierung" betrieb, d. h. die systematische Linie und Politik des Völkermords und der Repression fortsetzte, die seit dem Beginn des Volkskrieges im Mai 1980 ein beständiges Merkmal des antisubversiven Kampfes war. Nach dem Sturz Fujimoris im Dezember 2000 versprach die Übergangsregierung unter dem Präsidenten Paniagua, die Verbrechen gegen das Volk aufzuklären, die Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen, die Unterhöhlung der Grundrechte rückgängig zu machen und auf eine allgemeine nationale Versöhnung hinzuarbeiten. Ende 2000 legte eine Sonderkommission des Büros des Ombudsmannes des peruanischen Staates, der Defensoría del Pueblo, einen detaillierten Bericht über Tausende von Verschwundenen aus der Zeit des internen Krieges vor, aus dem eindeutig hervorgeht, daß die reaktionäre Armee die Hauptverantwortung für das gewaltsame Verschwinden von Menschen trägt. Die Regierung verkündete, sie wolle die Schuldigen zur Rechenschaft ziehen und das Parlament beschloß die Gründung einer Wahrheitskommission zur Untersuchung der Praktiken und Folgen des schmutzigen Krieges. Doch bereits in den Richtlinien für die Bildung dieser Kommission kommt die Tendenz zum Ausdruck, den peruanischen Staat zu entlasten, indem die Verbrechen des Staates als Fehlverhalten Einzelner dargestellt werden, während die Aktionen der aufständischen Organisationen als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" bezeichnet werden, bevor überhaupt eine genauere Untersuchung begonnen hat.

Derselbe Trend trat in den folgenden Monaten im Wahlkampf für die Präsidentschaft zutage. Zwar sprachen sich alle Kandidaten für die Notwendigkeit einer nationalen Versöhnung aus und erklärten ihre Unterstützung der Wahrheitskommission, doch gleichzeitig verkündeten sie ihre Entschlossenheit, dem sogenannten "Terrorismus ein Ende zu machen". Angesichts der unübersehbaren Tatsache, daß die Mehrheit der PCP seit Ende 1993 dem Aufruf ihres Parteichefs, des Vorsitzenden Gonzalo, gefolgt ist und die bewaffneten Aktionen eingestellt hat, um für eine politische Lösung zu kämpfen, dienten ihnen dabei die sporadischen bewaffneten Aktionen einiger isolierter Guerrillaeinheiten als Vorwand, um für eine Fortsetzung der reaktionären Politik der "Pazifizierung" durch die physische Vernichtung der Revolutionäre zu plädieren. Während des Wahlkampfs wurde die Bedeutung dieser Splittergruppen von den Kandidaten und der Presse systematisch hochgespielt, obwohl die Tatsachen beweisen, daß sich ihr Operationsradius auf einige wenige Gebiete des Landes, am Rande des Amazonas-Urwalds beschränkt und ihre Aktivitäten stetig abnehmen.

Auch der neu gewählte Präsident Toledo machte von Anfang an kein Hehl daraus, daß er dem sogenannten Terrorismus mit Festigkeit, d. h. mit repressiven Mitteln, gegenübertreten würde, und er warnte davor, den Fehler zu begehen, die Türen der Gefängnisse zu öffnen, um der Subversion erneut den Weg zu ebnen. Nach seinem Amtsantritt im Juli 2001 verstärkten sich die Spekulationen in der Presse über ein Neubelebung des bewaffneten Kampfes. Der Verteidigungsminister Waisman bestritt dies und erklärte, es handele sich um Reste, die nie ganz ausgerottet worden seien. Die Absicht dahinter liegt auf der Hand: Wenn dem sogenannten Terrorismus unter der Regierung Fujimori kein Ende gemacht wurde, wie diese immer behauptet hat, dann besteht ein Grund, den antisubversiven Kampf fortzusetzen. Der Innenminister Fernando Rospigliosi verkündete die Entschlossenheit der Regierung, mit den Überbleibseln des "Terrorismus" aufzuräumen, und fügte hinzu, daß diese keine ideologische Bewegung mehr repräsentieren, sondern bewaffnete Banden sind, die im Dienst des Drogenhandels stehen. Nachdem der General Eduardo Fournier öffentlich beklagte, daß durch die Auflösung des Nachrichtendienstes aufgrund der Korruptionsvorwürfe gegen die Regierung Fujimori und die Schließung von Militärstützpunkten durch die Übergangsregierung die antisubversiven Kräfte geschwächt seien, kündigte Toledo am 30. August die Wiedereröffnung einer Reihe von Militärstützpunkten auf dem Lande an.

Nach dem 11. September sah sich die peruanische Regierung in ihrer Linie zusätzlich bestärkt. Unterstützt von den Massenmedien, läßt sie seitdem keine Gelegenheit aus, um die PCP mit der derzeitigen internationalen Kampagne gegen den "Terrorismus" in Verbindung zu bringen. So wurden zum Beispiel Ende September vollkommen unbegründete, öffentliche Spekulationen darüber angestellt, daß ein verdächtiger Araber Verbindungen zur PCP oder zur MRTA gehabt haben könne. Es tauchten neue Meldungen über die angebliche Zwangsrekrutierung von Kindern und die Verbindung zum Drogenhandel auf. Als im gleichen Monat in weiten Teilen des Landes Proteste einsetzten, mit denen das Volk die Einlösung der Wahlversprechen forderte, beschuldigte Toledo die PCP, zusammen mit Anhängern Fujimoris soziale Unruhen zu schüren. Dies wurde in den folgenden Monaten zu einer gängigen Argumentation, um ein hartes Vorgehen gegen die Proteste des Volkes zu rechtfertigen. So bezeichnete Toledo in einer Fernsehbotschaft einen regionalen Streik vom 14. Mai als "einen Angriff auf die Demokratie" und warnte davor, daß "Extremisten, Terroristen und einige linke Mitglieder von ‚Sendero Luminoso' ihn an sich reißen könnten". Diese Politik gipfelte in einer Gesetzesvorlage vom Februar 2002, nach der die Störung des öffentlichen Verkehrs durch Demonstrationen mit einer Gefängnisstrafe bis zu sechs Jahren bestraft werden soll. Dieselbe unnachgiebige Haltung zeigte Toledo gegenüber dem Hungerstreik, den 920 politische Gefangene in verschiedenen Gefängnissen des Landes vom 11. Februar bis zum 14. März durchführten, um ihrer Forderung nach der Aufhebung der verfassungswidrigen Anti-Terrorismus-Gesetze und einer Verbesserung ihrer Haftbedingungen Nachdruck zu verleihen.

Gleichzeitig rüstete die peruanische Regierung organisatorisch auf. Am 1. November wurde eine Kriseneinheit für Fälle von Terrorismus gegründet, deren Aufgaben u. a. die Erstellung einer Liste von Mitgliedern terroristischer Organisationen im In- und Ausland ist. Einige Tage später gab die Regierung die Gründung sogenannter "Delegationen für Frieden und Entwicklung" bekannt, die in Zusammenarbeit von Innen- und Verteidigungsministerium unter Einbeziehung der Bevölkerung alle Maßnahmen zur Bekämpfung der Reste des Terrorismus koordinieren sollen, um eine Konsolidierung der Pazifizierung zu erreichen. Am 3. Dezember warnte das amerikanische Außenministerium vor möglichen Anschlägen von Sendero Iluminoso gegen amerikanische Einrichtungen und Staatsbürger und berief sich dabei auf eine vermeintliche Zunahme der bewaffneten Aktionen und angebliche Beweise. In den letzten Monaten gingen wieder verstärkt Meldungen über die angebliche Zunahme von bewaffneten Aktionen gingen durch die Presse. Als wenige Tage vor dem Besuch Bushs in der Nähe der amerikanischen Botschaft eine Autobombe explodierte, diente dies der peruanische Regierung als willkommener Vorwand für die Bildung ihrer "strategischen Allianz" mit dem US-Imperialismus. Die nach dem Sturz Fujimoris lautstark propagierte Idee der nationalen Versöhnung tritt durch diese Politik immer mehr in den Hintergrund, bzw. wird als Bündnis gegen den sogenannten Terrorismus interpretiert.

Diese gesamte Entwicklung gibt zu der Befürchtung Anlaß, daß es dem peruanischen Staat wie schon in der Vergangenheit gelingt, die systematische Politik des Völkermords der vergangenen zwanzig Jahre unter den Teppich zu kehren, und damit die dringend erforderliche Demokratisierung der peruanischen Gesellschaft verhindert. Was die Herrschenden in aller Welt nicht zu begreifen scheinen und wahrscheinlich aufgrund ihres Klassenstandpunktes nie begreifen werden, ist, daß sie mit ihrer Staatsgewalt und ihrem so genannten Rechtsstaat, der nichts anderes ist als die organisierte Gewalt der herrschenden Klassen - so die Definition Lenins - das Problem des sogenannten "Terrorismus" nicht lösen können. Denn was sie als Terrorismus bezeichnen, ist Ausdruck der Rebellion gegen Unterdrückung und Ausbeutung. Vielleicht kann man sie zeitweilig mit Gewalt in den Griff bekommen, doch dieser scheinbare Sieg ist nur vorübergehend. Denn so lange ihre Ursachen fortbestehen, wird die Rebellion immer wieder zum Ausbruch kommen. Und das um so eher in einem Land wie Peru, wo das Volk die Erfahrung gemacht hat, welche Macht es besitzt, wenn es in einer organisierten Aktion, angeführt von einer kommunistischen Partei, die sie mit einem klaren Programm hin zu einer neuen, gerechteren Gesellschaftsordnung führt, um seine Emanzipation kämpft. Wenn die derzeitige Regierung die politische Lösung der vom internen Krieg hinterlassenen Probleme ablehnt, ist das eine verpaßte Chance, einen Teil des Hasses und der Wut auf die ungesühnten Verbrechen der Klassendiktatur der Großbourgeoisie und der Großgrundbesitzer abzubauen. Der Klassenkampf aber wird so oder so weitergehen und sie früher oder später hinwegfegen.