Stellungnahme zu dem Artikel "José Carlos Mariátegui und kulturelle Fragen der peruanischen Revolution"
Wir bedanken uns für die Zusendung des Artikels "José Carlos Mariátegui und kulturelle Fragen der peruanischen Revolution", den wir mittlerweile in Deutsch und in Spanisch erhalten haben, und begrüßen das Interesse an dieser herausragenden Figur der lateinamerikanischen Geschichte. Mariátegui hat insbesondere für uns, die wir uns mit der peruanischen Revolution verbunden fühlen, eine große Bedeutung, denn er war einer der herausragenden Führer des peruanischen Proletariats, dessen Leben und Werk beispielhaft für alle Revolutionäre der Welt ist und der uns wichtige Lehren hinterlassen hat. Aus diesem Grunde halten wir die Auseinandersetzung mit seinen Ideen für wichtig und fruchtbar. Die Frage ist dabei allerdings, wie und mit welcher Zielsetzung diese erfolgt. Ist sie rein akademischer Natur oder verfolgt sie den Zweck, (positive oder auch negative) Lehren aus dem Wirken Mariáteguis zu ziehen, um die eigene Revolution weiterzuentwickeln? Da der Artikel auf den Marxismus Bezug nimmt, was eine revolutionäre Zielsetzung einschließt, gehen wir davon aus, daß letzteres der Fall ist. Die Fragestellung wäre folglich: Was können wir von José Carlos Mariátegui für unser eigenes Handeln, für den Weg unserer eigenen Revolution lernen? Die Beantwortung dieser Frage bedingt eine differenzierte Untersuchung des Gesamtwerkes im Hinblick auf seine Nützlichkeit für die Lösung der Probleme, welche die eigene Revolution aufwirft. Bei der Lektüre des Artikels läßt sich jedoch feststellen, daß diese offensichtlich nicht erfolgt ist, denn er konzentriert sich auf Einzelaspekte, während die zentralen Thesen Mariáteguis unbeachtet bleiben.
Dem entspricht die allgemeine Einschätzung Mariáteguis, die diesem in keiner Weise gerecht wird, denn seine Bedeutung wird darauf reduziert, daß er den Marxismus mit den peruanischen Traditionen verband und versuchte, sie in einem materialistischen Licht zu beleuchten, um die peruanische Geschichte aufzuarbeiten. Diese Feststellung unterschlägt das wichtigste Merkmal Mariáteguis, nämlich daß er "ein überzeugter und bekennender Marxist" war, wie er selbst sagte, der es als seine Lebensaufgabe ansah, "den peruanischen Sozialismus zu erschaffen", eine Aufgabe, die er auf brillante Weise erfüllt hat. Die Analyse der peruanischen und lateinamerikanischen Geschichte von einem proletarischen Klassenstandpunkt aus, auf das der Artikel sein Wirken beschränkt, ist ein wichtiger Teil seines Werkes, denn als Marxist wußte Mariátegui, daß sich gesellschaftliche Entwicklungsgesetze nur durch die Untersuchung ihres historischen Entwicklungsprozesses erkennen lassen. Doch diese war kein Selbstzweck, sondern bildete die Grundlage für seine Thesen zur revolutionären Veränderung der Gesellschaft.
Das Werk Mariáteguis ist das Produkt des nationalen und internationalen Klassenkampfes seiner Zeit. Er beteiligte sich aktiv an den Kämpfen der peruanischen Studenten, Bauern und vor allem der Arbeiter, die in den zwanziger Jahren einen Aufschwung erlebten, und entwickelte sich zum höchsten bewußten politischen Ausdruck des peruanischen Proletariats, dessen politischen Reifeprozeß er anführte, indem er die ideologisch-politischen Grundlagen der proletarischen Revolution in Peru schuf. Dabei griff er nicht auf das alte peruanische Volksbewußtsein zurück, wie in dem Artikel angeführt wird, sondern auf die fortschrittlichsten Ideen seiner Zeit, den Marxismus-Leninismus, mit dem er Anfang der zwanziger Jahre in Europa in Berührung kam. Sein Lebenswerk ist die Verschmelzung des Marxismus-Leninismus mit der peruanischen Realität, wodurch er die spezifischen Entwicklungsgesetze der peruanischen Revolution entdeckte.
Den Ausgangspunkt für seine Thesen bildet eine gründliche Analyse der peruanischen Gesellschaft, mit der er ihre wirtschaftlichen, politischen, ideologischen und kulturellen Merkmale in ihrer historischen Entwicklung definiert. In diesem Zusammenhang entstanden unter anderem die "Sieben Essays zur Interpretation der peruanischen Realität" (so die wörtliche und bessere Übersetzung), auf die der Artikel sich bezieht. Darin weist Mariátegui nach, daß die peruanische Gesellschaft semifeudal und semikolonial ist, da aufgrund der historischen Umstände keine bürgerliche Revolution stattfand. Folglich steht die Lösung von zwei zentralen Probleme noch aus, die in den kapitalistischen Ländern die Voraussetzung für die Industrialisierung und die Entwicklung des Kapitalismus bildeten: die Aufhebung der feudalen Ausbeutungsverhältnisse auf dem Lande und die Bildung eines unabhängigen Nationalstaates. Wirtschaftlich bedeutet das die Unterwerfung unter die Interessen des Imperialismus, der die Entwicklung einer unabhängigen nationalen Wirtschaft und den Aufbau einer eigenständigen Industrie nicht zuläßt. Statt dessen benutzt er die semifeudale Basis, um im Bündnis mit den feudalen Großgrundbesitzern einen Monopolkapitalismus zu betreiben, was zur Herausbildung einer Kompradorenbourgeoisie geführt hat, die unter imperialistischer Kontrolle steht und eine Vermittlerfunktion zur Ausbeutung der nationalen Ressourcen und der Arbeitskraft des Volkes übernimmt. Der Staat wird beherrscht von einer Allianz der Großbourgeoisie mit den feudalen Großgrundbesitzern und setzt deren Interessen durch, die mit denen des Imperialismus eng verbunden sind, wobei er das Proletariat, die Bauern und das Kleinbürgertum ausbeutet und unterdrückt und die mittlere Bourgeoisie in ihrer Entwicklung behindert. Ideologisch herrscht eine feudal-imperialistische Mentalität vor, die den "Indio" verachtet und die scheinbaren Errungenschaften des Imperialismus verherrlicht. Die Kultur orientiert sich an imperialistischen Vorbildern oder ist in den folkloristischen Traditionen vergangener Jahrhunderte gefangen, denn abgesehen von einigen Ausnahmeerscheinungen, die Mariátegui hervorhebt, konnte sich keine nationale Hochkultur herausbilden, da die nationale Identität fehlt. In seiner Untersuchung stellte Mariátegui fest, daß sich diese Merkmale der semikolonialen und semifeudalen Gesellschaft in dem Maße akzentuieren wie die Penetration des Imperialismus zunimmt und keinesfalls unter dem bestehenden Herrschaftssystem aufgehoben werden können. Ähnlich wie der Vorsitzende Mao Tse-tung in China kommt auch er zu dem Schluß, daß nur die demokratisch-nationale Revolution die Probleme der Feudalität und der nationalen Unabhängigkeit lösen kann und diese die Voraussetzung für die sozialistische Revolution ist. Allerdings ist die Bourgeoisie längst zu einer reaktionären Klasse geworden und kann sie nicht mehr anführen und zu Ende bringen. Folglich muß die proletarische Revolution die Aufgaben der bürgerlichen Revolution erfüllen und hat somit zwei Etappen: eine erste der demokratisch-nationalen Revolution und eine zweite der sozialistischen Revolution. Des weiteren definiert Mariátegui den Kampf gegen die Feudalität als das Hauptproblem und den Motor des Klassenkampfes, denn die feudalen Ausbeutungsverhältnisse prägen die gesamte Gesellschaft von der ökonomischen Basis bis zum Überbau. Gleichzeitig ist das Zentrum des antiimperialistischen Kampfes, das Problem der Nationalität, eng mit dem Problem der Indios und der Feudalität verbunden, so daß im Kampf gegen die feudalen Ausbeutungsverhältnisse der antifeudale und der antiimperialistische Kampf zusammenkommen. Bei der Analyse der sozialen Kräfte der peruanischen Gesellschaft kommt Mariátegui zu dem Schluß, daß die Hauptkraft der Revolution die Bauernschaft ist, diese jedoch ohne der Führung des Proletariats ihre Interessen nicht durchzusetzen kann, und sich daher Arbeiter und Bauern zu einer Allianz zusammenschließen müssen, der sich in dem Maße, wie sein politisches Bewußtsein wächst, das Kleinbürgertum und unter bestimmten Umständen die mittlere Bourgeoisie anschließen können. Damit legt er die Kräfte der antifeudalen und antiimperialistischen Einheitsfront fest. Entgegen den Behauptungen von Revisionisten und Reaktionären war Mariátegui eine entschiedener Verfechter der revolutionären Gewalt als einzigem Mittel zur Machtübernahme und konzipierte den bewaffneten Kampf als einen langwierigen Bauernkrieg unter Führung des Proletariats, durch den die Städte vom Lande her eingekreist werden. Das auch zur Beantwortung der in dem Artikel aufgeworfenen Frage, welcher Klasse die revolutionäre Gewalt dient.
Doch José Carlos Mariátegui war nicht nur ein brillanter Theoretiker, sondern auch eine großer Organisator, denn er begriff, daß ohne organisatorischen Rückhalt kein erfolgreicher Kampf möglich ist. Diese Erkenntnis setzte er in die Praxis um, indem er die theoretischen und praktischen Grundlagen für die revolutionären Massenorganisationen des Volkes schuf, deren deutlichster Ausdruck die Gründung der Confederación General de Trabajadores del Perú (CGTP - Allgemeine Arbeiterkonföderation Perus) als klassenkämpferische Gewerkschaftsorganisation der Arbeiter im Jahre 1929 ist. Darüber hinaus beschäftigte er sich jedoch auch mit den spezifischen Linien an den verschiedenen Fronten der Massenarbeit, wie etwa der besonderen Problematik der Intellektuellen, der Frauen, und insbesondere der Bauern, für deren Organisierung in einer revolutionären, bewaffneten Massenorganisation er die Richtlinien festlegte. Die Krönung seines Schaffens bildete die Gründung der proletarischen Klassenpartei, der er ein klares kommunistisches Programm und eine eindeutig marxistische Generallinie gab. Mariátegui verstand die Partei als unabhängige Klassenorganisation des Proletariats zur Vertretung seiner eigenständigen Klasseninteressen, als "organisierte Avantgarde des Proletariats, als politische Kraft, welche die Aufgabe der Orientierung und der Führung des Kampfes um die Durchsetzung der Ideale der Arbeiterklasse übernimmt", und konzipierte sie als marxistisch-leninistische Kaderpartei und Kampforganisation für die Eroberung der Macht. Da er die peruanische Revolution als Teil der proletarischen Weltrevolution begriff, was sich unter anderem darin ausdrückt, daß er für den Beitritt der Partei zur 3. Internationale eintrat, setzte sich Mariátegui zudem mit wichtigen internationalen Fragen seiner Zeit auseinander, so etwa mit dem Phänomen des Faschismus, den er in Italien kennenlernte, der ideologischen und politischen Krise der bürgerlichen Demokratie, den internationalen Beziehungen im Zeitalter des Imperialismus und dem antiimperialistischen Kampf, um nur einige Themen zu nennen.
Auf diese Art zeigte er dem peruanischen Volk den Weg aus der Ausbeutung und Unterdrückung: die Eroberung der politischen Macht durch revolutionäre Gewalt unter Führung der Arbeiterklasse, um die Diktatur des Proletariats zu errichten und in einer langwierigen Übergangsphase die Klassen abzuschaffen und zur kommunistischen Gesellschaft zu gelangen.
Das ist im Wesentlichen der Weg, den José Carlos Mariátegui für die peruanische Revolution aufgezeigt hat und der im Mittelpunkt der Debatte um seine Bedeutung stehen sollte. Der oben erwähnte Artikel dagegen konzentriert sich auf einzelne Ideen, die zudem noch aus dem Zusammenhang gerissen und verfälscht dargestellt sind, um daran die Kritik an Mariátegui festzumachen, womit gleichzeitig dessen grundsätzliche Thesen in Frage gestellt werden, ohne daß diese auch nur erwähnt sind. Die Kritikpunkte beziehen sich auf Mariáteguis Analyse der historischen Entwicklung der peruanischen Gesellschaft. Laut Ansicht des Autors betrachtete Mariátegui das Inka-Reich als urkommunistische Idylle, eine Darstellung, die sich auf ein Zitat stützt, in dem dieser den relativen allgemeinen Wohlstand unter der Herrschaft der Inkas beschreibt, was durchaus zutreffend ist und selbst in den Chroniken der spanischen Eroberer vermerkt ist. Diese Feststellung Mariáteguis, die sich ausdrücklich auf die wirtschaftliche Lage bezieht, überträgt der Verfasser der Kritik auf die politische Ebene und setzt relativen Wohlstand gleich mit einer harmonischen Gesellschaft, einem Staat ohne Ausbeutung und Unterdrückung. Dieser Begriff an sich ist bereits widersinnig und offenbart Schwächen in marxistischer Staatstheorie, denn Marx, Engels und Lenin weisen nach, daß der Staat gleichzeitig mit der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen entstand und die organisierte Gewalt der Ausbeuterklasse(n) zur Unterdrückung der ausgebeuteten Klassen ist. In einer Gesellschaft ohne Klassen und ohne Ausbeutung hat er keinerlei Funktion. Folglich kann es keinen Staat ohne Ausbeutung und Unterdrückung geben, ebenso wenig, wie es einen urkommunistischen Staat gegeben hat, denn die urkommunistische Gesellschaft bestand vor der Herausbildung der Klassen.
Mariátegui dagegen besaß ein tiefgehendes Verständnis des Marxismus und verfiel weder hier noch an anderer Stelle in den Irrtum, die Inka-Gesellschaft als urkommunistisch zu bezeichnen. Vielmehr spricht er von einem Staat unter Führung der Inkas, was zwangsläufig die Existenz einer Klassengesellschaft beinhaltet, und beschreibt ihn als eine Sklavenhaltergesellschaft, in der sich noch Reste urkommunistischer Strukturen in den Dorfgemeinschaften erhalten hatten, die es im Übrigen bis heute noch in Ansätzen gibt. Ihm kommt es bei seiner Untersuchung darauf an aufzuzeigen, daß in Peru der Entwicklungsprozeß von der Sklavenhaltergesellschaft zum Feudalismus und von dort zum Kapitalismus, wie er in den europäischen Ländern und in abgewandelter Form auch in Nordamerika stattgefunden hat, durch die Eroberung der Spanier unterbrochen und verhindert wurde. Seine Beschreibung der Inka-Gesellschaft zeigt, daß bis zur Ankunft der Spanier die Entwicklung nach den gleichen Gesetzmäßigkeiten verlief, die Marx und Engels für die europäischen Länder festgestellt hatten. Die Inkas hatten sich die weniger weit entwickelten Stämme unterworfen und eine Sklavenhaltergesellschaft errichtet, die sich gegenüber dem Urkommunismus als überlegen erwies und eine schnelle Weiterentwicklung der Produktivkräfte und einen relativen Wohlstand der Bevölkerung zur Folge hatte. Mariátegui übersieht durchaus nicht, daß diese auf den vorgefundenen Strukturen aufbaute und sie ausnutzte, doch das ändert nichts an der Tatsache, daß nach den Gesetzen des historischen Materialismus das Inka-Reich gegenüber der urkommunistischen Gesellschaft als historischer Fortschritt zu betrachten ist. Ebenso wenig wird dies durch den Hinweis auf barbarische religiöse Praktiken wie Menschenopfer und sonstige gewaltsame Methoden der Durchsetzung des Herrschaftsanspruchs der Inkas widerlegt, denn ob ein System fortschrittlich ist oder nicht, läßt sich nicht an moralischen Kategorien unserer Zeit messen, wie es in dem Artikel geschieht. Die Menschheitsgeschichte zeigt, daß ein historisch fortschrittliches Gesellschaftssystem sich häufig mit ausgesprochen grausamen Methoden durchsetzte und für das Volk noch mehr Ausbeutung und Unterdrückung mit sich brachte. Wird Fortschritt daran gemessen, ob es dem Volk unter dem neuen Herrschaftssystem besser geht oder nicht, wäre sicherlich das kapitalistische System das rückschrittlichste überhaupt, denn noch nie in der Geschichte gab es eine derartige Massenvernichtung von Menschen durch Kriege und Hungersnöte. Trotzdem ist das kapitalistische System gegenüber dem Feudalsystem fortschrittlich, denn es hat zu einem gewaltigen Entwicklungssprung der Produktivkräfte geführt und die Voraussetzungen für die endgültige Abschaffung der Klassengesellschaft geschaffen.
Der Inka-Staat befand sich zum Zeitpunkt der Eroberung durch die Spanier im 16. Jahrhundert in einem Übergangsstadium zum Feudalismus, der sich unter anderem in seiner politischen Teilung ausdrückte, die in dem Artikel als Beleg angeführt wird, daß nicht alles so harmonisch verlief, wie Mariátegui es angeblich sah. Diese Tatsache erleichterte den Spaniern die Unterwerfung des Landes, denn anders als in Nordamerika, wo aus Europa Siedler ankamen, die den Boden bestellten, um sich eine neue Heimat zu schaffen, kamen sie als Eroberer, um das Land auszubeuten. Sie zerstörten die gewachsenen Strukturen, vernichteten einen Großteil der Bevölkerung und errichteten ein Feudalsystem, das in Europa historisch bereits überholt war, denn dort hatten in England und Holland schon die ersten bürgerlichen Revolutionen stattgefunden. Die Kolonialherrschaft der Spanier dauerte in Peru bis 1821, doch die Abhängigkeit von Spanien und die feudale Gesellschaft blieben auch danach noch bestehen, bis sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch das Vordringen des englischen und französischen Imperialismus in Lateinamerika erste Ansätze des Kapitalismus entwickelten und sich in Peru die koloniale in eine halbkoloniale Gesellschaft verwandelte. Wenn Mariátegui Vergleiche zieht zwischen der Herrschaft der Inkas und den Spaniern, die zwangsläufig zugunsten des Inka-Staates ausfallen, dient dies dazu, zu unterstreichen, was für ein historischer Einschnitt die Eroberung durch die Spanier für Lateinamerika war. Wird dies als romantische Verblendung und Verklärung der Geschichte interpretiert, wie das in dem Artikel geschieht, läßt das im Grunde nur die Schlußfolgerung zu, daß die Auswirkungen und die Folgen der spanischen Kolonialherrschaft, die bis in die heutige Zeit reichen, nicht verstanden werden, nämlich der semifeudale und semikoloniale Charakter der Gesellschaft, der durchaus nicht nur wirtschaftlich zum Tragen kommt, sondern gleichermaßen politisch, ideologisch und kulturell, nicht verstanden wird. Dieses Unverständnis äußert sich auch, wenn Überlegungen angestellt werden über die relative Bedeutungslosigkeit der andinen Landwirtschaft für das Bruttosozialprodukt und die Umbruchsituation durch das Anwachsen der Städte, die angeblich neue Fragen aufwerfen. Soll damit angedeutet werden, daß sich dadurch der Charakter der Gesellschaft und damit der Revolution verändert? Demgegenüber bekräftigen wir uns in dem was Mariátegui sagte: Das Vordringen des Imperialismus bewirkt lediglich eine Evolution des semifeudalen und semikolonialen Charakters der Gesellschaft, auslöschen kann diesen nur die proletarische Revolution.
Die Kritik an der angeblich unkritischen Haltung Mariáteguis gegenüber dem Katholizismus drückt das gleiche Unverständnis für dessen Argumentation aus. Mariátegui war Marxist, und als solcher wußte er sehr wohl, daß Religion Opium fürs Volk ist, wie Marx sagte. Wiederholt betonte er die reaktionäre Rolle der katholischen Priester bei der Unterwerfung der indianischen Bevölkerung durch die Spanier, wie ja auch in dem angeführten Zitat zum Ausdruck kommt, und wenn er sich darüber Gedanken macht, wie mit den Latifundien der Kirche verfahren werden soll, dann im Hinblick auf ihre zukünftige Enteignung. Andererseits kann niemand bestreiten, daß Mariátegui recht hat, wenn er hervorhebt, daß die Kolonien der Franziskaner eine der wenigen Ausnahmen waren, wo die Spanier versuchten, eine landwirtschaftliche Entwicklung in Gang zu bringen, anstatt das Land auszurauben, wie sie es gemeinhin taten. Im Übrigen weist Mariátegui ausführlich auf die Rolle der Religion in der Geschichte hin und beschreibt diese als Teil des Herrschaftssystems, die sich mit dem Fortschreiten der Geschichte wandelt. Doch er konnte auch unterscheiden zwischen der Kirche als Institution und der Gläubigkeit des Volkes. Bei der Untersuchung des Einflusses der Religion in Peru stellt er fest, daß diese die Menschen noch nie daran gehindert hat, sich gegen die Herrschenden aufzulehnen, zumal der Katholizismus künstlich über die Bräuche und Mythen der Naturreligion übergestülpt worden ist und im einfachen Volk niemals tiefe Wurzeln schlagen konnte. Die Religion ist gleichzeitig mit den Klassen und der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen entstanden und wird bestehen, solange diese bestehen. Niemand kann in Lateinamerika heute eine Revolution machen, wenn er die Gläubigkeit des Volkes nicht respektiert. Dieser Grundsatz ist festgeschrieben im Programm der demokratischen Revolution der PCP und er lautet: Das Recht auf Glaubensfreiheit, jedoch im weitesten Sinne, was beinhaltet, das Recht zu glauben oder nicht zu glauben. Alles Andere wäre kleinbürgerlicher Radikalismus.
Der schwerwiegendste Vorwurf, der gegen Mariátegui erhoben wird, besteht in seinem angeblichen Pragmatismus, eine Kritik, die unter anderem damit untermauert wird, daß er Sorel zitiert hat. Was das angeht, so meinen wir, daß dieser in seiner Studie über den Benediktinerorden, auf die das Zitat verweist, durchaus recht gehabt haben kann, auch wenn er sonst ein Chaot und Wirrkopf war, was wir unbesehen glauben, wenn es von Lenin kommt. Lenin selbst hat sich ebenso wie Marx, Engels oder der Vorsitzende Mao Tse-tung ständig auf Erkenntnisse und Untersuchungen bürgerlicher Wissenschaftler gestützt, denn kein Revolutionär kann alles empirisch erforschen, weil er allem anderen mißtraut. Der Marxismus fällt nicht vom Himmel, er stützt sich auf die fortschrittlichsten Erkenntnisse aller Zweige der Wissenschaften seiner Zeit. Der Unterschied liegt in ihrer Interpretation.
Einen weiteren Beleg für den angeblichen Pragmatismus Mariáteguis sieht der Autor des vorliegenden Artikels in einem Zitat, in dem Mariátegui anführt, die Entwicklung des eingehenden 20. Jahrhunderts habe gezeigt, daß die revolutionären Mythen das tiefe Bewußtsein (nicht Unterbewußtsein, wie es fälschlicherweise in der deutschen Übersetzung heißt) der Menschen ebenso besetzen könnten wie früher die religiösen Mythen. Diese Äußerung interpretiert der Artikel in dem Sinne, daß Mariátegui die Rückkehr zu "antiken obskuren Mythen" predigt, womit er ihn gar in die Nähe des Faschismus rückt. Mag diese Auslegung auch möglicherweise einem Übersetzungsproblem entspringen, denn die erste Bedeutung des von Mariátegui benutzten Wortes "antiguo" ist nicht "antik", wie es in der deutschen Fassung heißt, sondern "früher, alt, langjährig", so paßt sie doch genau in das Bild, das hier von Mariátegui gezeichnet wird. Nach Ansicht des Verfassers der Kritik war Mariátegui kein Marxist, sondern ein Idealist, der "an die Stelle der komplexen Wirklichkeit ... Gott oder etwas Mystisches" setzt, was sich "gegen den philosophischen Materialismus, gegen den Marxismus selbst richtet". Dem möchten wir ein Zitat des Vorsitzenden Gonzalo entgegensetzen, der 1968 in einem Vortrag über Mariátegui folgendes sagte: "Und schließlich gibt es eine Reihe von Verdrehern, die Teile von Mariátegui aufgreifen und anfangen haarsträubende Auslegungen zu machen. Mariátegui sagt an einer Stelle etwas über die Religion, er hat seine Ansicht über die Religion, über den Mythos, und einige Leute reiben sich die Hände, ihre weichen Hände, die nie etwas geleistet haben, und sagen: Mariátegui war im Grunde ein Mystiker und kein Marxist, er war ein Humanist, der mit Peru fühlte und litt."
Die hier vertretene Auffassung ist also durchaus nicht neu, sondern stimmt mit ein in den Chor der Gegner Mariáteguis, die schon von jeher versucht haben, seinem Werk die politische Sprengkraft zu nehmen, indem sie den revolutionären Gehalt verharmlosten, verfälschten und unterschlugen. Bereits zu seinen Lebzeiten wurde er von Anarcho-Syndikalisten und Sozialdemokraten erbittert bekämpft. Nach seinem Tode im Jahre 1931 leugneten Revisionisten innerhalb und außerhalb der kommunistischen Partei seine Bedeutung, indem sie unter anderem anführten, seine Schriften seien rein journalistische Arbeiten, die dem Broterwerb dienten, und daher kaum als ernst zu nehmende Gesellschaftsanalyse zu betrachten. Als in den sechziger und siebziger Jahren eine Fraktion innerhalb der PCP Mariáteguis Thesen wieder aufgriff, tauchten plötzlich Leute auf, die versuchten, ihn für sich zu vereinnahmen, indem sie ihm mit Unterstützung seiner Nachfahren, die sein Werk vermarkten, zwar Geltung als Gelehrter und Sozialkritiker zugestanden, seine Rolle als Revolutionär jedoch leugneten und verheimlichten. Heute gibt es eine Reihe von revisionistischen Organisationen, die sich auf Mariátegui berufen, dabei jedoch behaupten, seit den zwanziger Jahren habe sich die Situation geändert und heutzutage könne die Macht auf friedlichem Wege über die Teilnahme an Parlamentswahlen übernommen werden. Daneben wurde immer wieder versucht, ihn in die Nähe der Sozialdemokratie zu rücken, so insbesondere zur Zeit der Regierung der sozialdemokratischen APRA in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre, als Mariátegui mit deren Gründer Haya de la Torre in Verbindung gebracht wurde, von dem er sich zu seinen Lebzeiten entschieden abgrenzte, um so ein Bündnis von Revisionisten und Sozialdemokraten zu rechtfertigen. In dieselbe Richtung gehen Auffassungen, daß die Partei, die er 1928 gründete, keine kommunistische Partei gewesen sei, weil sie zunächst den Namen Sozialistische Partei trug, und folglich Mariátegui kein Kommunist war. Auch der Vorwurf des Pragmatismus diente immer wieder dazu zu leugnen, daß Mariátegui einen proletarischen Klassenstandpunkt vertrat und Marxist war, da er angeblich den Standpunkt der Bauernschaft vertreten habe und diese als führende revolutionäre Kraft betrachtete.
In dem Artikel "José Carlos Mariátegui und kulturelle Fragen der peruanischen Revolution" wird er nun als Sozialromantiker dargestellt, der die Vergangenheit des Inka-Staates verklärt, eine unkritische Haltung gegenüber dem Katholizismus einnahm, den Klassencharakter des Faschismus seiner Zeit nicht zu erkennen vermochte und gegenüber der Revolution eine pragmatische Haltung einnahm. Der Autor des Artikels stellt fest, daß es "bei Mariátegui ein erkenntnistheoretisches Phänomen gibt ..., daß sich dem Pragmatismus annähert und das mit dem Materialismus und der materialistischen Erkenntnis seine Schwierigkeiten hat", nämlich das "Sich Konstruieren einer Wirklichkeit". Das bedeutet, daß er die peruanische Wirklichkeit nach seinen Vorstellungen zurechtgebogen hat, also falsch interpretiert hat, und folglich die falschen Schlußfolgerungen gezogen hat, womit natürlich der von ihm aufgezeigte Weg der Revolution auch falsch wäre. Und darin liegt der Dreh- und Angelpunkt der Kritik an Mariátegui, denn es geht um viel mehr als um seine Thesen. Es geht um den Weg der peruanischen Revolution, den Mariátegui aufgrund seines frühen Tode nicht mehr weiterführen konnte, den jedoch andere aufgegriffen, weiterentwickelt und in die Praxis umgesetzt haben. Nachdem seine Nachfolger in der Parteiführung 30 Jahre lang von seiner Linie abgewichen waren und seine Partei zu einem Sammelbecken für Revisionisten aller Schattierungen gemacht hatten, bildete sich in den sechziger und siebziger Jahren in der Kommunistischen Partei Perus (PCP) eine Fraktion, die Mariáteguis Thesen wieder aufnahm und weiterentwickelte. Das Ergebnis dieser Weiterentwicklung sind die Gonzalogedanken des Vorsitzenden Gonzalo, die seit mehr als 30 Jahren den Kurs der PCP bestimmen. Wenn Mariátegui falsch lag, befindet sich folglich auch die PCP seit mehr als 30 Jahren auf einem falschen Weg. Und nach Ansicht des Autors des Artikels lassen sich in Mariáteguis Werk "gravierende Fehler" feststellen, in denen idealistische Tendenzen zum Ausdruck kommen, die unvereinbar sind mit dem Marxismus. Folglich zieht er in Zweifel, daß er Marxist und damit Kommunist war, und stellt ihn als einen Mystiker und Humanisten dar, als einen kleinbürgerlichen Revolutionär und rückwärts gerichteten Träumer, der den angeblich urkommunistischen Inka-Staat als Idealbild einer neuen Gesellschaft vor Augen hatte. Diese Auffassung gilt zwangsläufig auch für die PCP als Ganzes, die sich auf ihn als ihren Gründer beruft, zumal auch dem Vorsitzenden Gonzalo idealistische Tendenzen in seinem Denken unterstellt werden. Das gefährliche an dieser Kritik ist, daß sie Mariátegui und damit auch die PCP in die Nähe der antimarxistischen Positionen von Pol Pot rückt, und so den Unterstellungen der Reaktion und des Imperialismus Nahrung gibt, die PCP sei fortschrittsfeindlich und wolle einen urkommunistischen Agrarstaat errichten, wie es die Roten Khmer in Kambodscha anstrebten.
Die Unfähigkeit, Mariáteguis großartige Leistung in ihrer gesamten Bedeutung zu würdigen, offenbart allgemeine Verständnisprobleme grundlegender Fragen des heutigen Marxismus, das ist der Marxismus-Leninismus-Maoismus, die auch zum Ausdruck kommen, wenn von einer "gewissen Grundlagenkritik" und der Kritik an einer "gewissen Abstraktheit des Marxismus" gesprochen wird. Diese Äußerungen beruhen nach unserer Erfahrung darauf, daß eines der wesentlichen Merkmale des Marxismus, das ihn grundlegend von der bürgerlichen Ideologie unterscheidet, nicht richtig verstanden wird, nämlich daß er ausdrücklich als Mittel der revolutionären Veränderung der Wirklichkeit geschaffen wurde. Das bedeutet, er muß auf eine konkrete Realität angewendet und in die Praxis umgesetzt werden, denn die Entwicklung des Marxismus war immer an einen bestimmten revolutionären Prozeß gebunden und entsprach der Notwendigkeit, eine konkrete Revolution voranzutreiben, d. h. ihre spezifischen Entwicklungsgesetze zu entdecken. Ob diese richtig oder falsch sind, zeigt letztendlich die revolutionäre Praxis, die unbestechlichste aller Richterinnen. Aus diesen spezifischen Erfahrungen kristallisierten sich dann mit der Zeit allgemeingültige Gesetze, feste Prinzipien heraus, die von den großen Führern des Proletariats, insbesondere Marx, Lenin und dem Vorsitzenden Mao, erkannt und systematisiert worden sind. Darin liegt die "Abstrakheit" des Marxismus, doch ohne sie hätten wir keine allgemeingültigen Gesetze und folglich kein Instrument, um die komplexe gesellschaftliche Wirklichkeit zu erfassen. Andererseits enthält er keine Patentrezepte, und die größte Schwierigkeit einer Revolution besteht in der Anwendung der allgemeingültigen Gesetze auf eine konkrete Realität, was grundsätzlich deren Weiterentwicklung beinhaltet, und das aus zwei Gründen: Zum einen hat jedes Land seine eigenen besonderen Merkmale. So verläuft die Revolution in den imperialistischen Ländern mit Sicherheit nach anderen spezifischen Regeln als in den unterdrückten Nationen, eine Erkenntnis, die Mariátegui zeit seines Lebens entschieden verteidigt hat. Heute kennen wir dank des Maoismus im wesentlichen die allgemeinen Gesetze der Revolution in diesen Ländern, doch auch unter ihnen gibt es Unterschiede, und die Revolution in einem Land wie Peru kann keine Kopie der chinesischen sein. Zum anderen bleibt die Geschichte nicht stehen, und jede Revolution muß die neuen historischen Phänomene berücksichtigen. Ein bekanntes, aber eingängiges Beispiel ist, daß Marx zu seinen Lebzeiten den Imperialismus in all seinen Auswirkungen nicht mehr gesehen hat, auch wenn er die Entwicklungstendenz voraussah, und darum erst Lenin die Imperialismustheorie entwickeln konnte. Ebenso war es Lenin nur möglich, die allgemeine Notwendigkeit der Verteidigung der Diktatur des Proletariats gegen Versuche der Unterwanderung von innen aufzeigen, und es blieb dem Vorsitzenden Mao Tse-tung überlassen, mit der Großen Proletarischen Kulturrevolution das Mittel zu schaffen, um den Sozialismus zu verteidigen. Ihr Scheitern lag nicht daran, daß das Konzept falsch ist, sondern daß es nach dem Tode des Vorsitzenden Mao keine Führer mit seiner Fähigkeit und Autorität gab, die sie hätten fortsetzen können. Diese Erfahrung zeigt einmal mehr, daß die wirklich überragenden Führer dünn gesät sind. Wir gehen von drei großen Namen aus: Marx, Lenin und der Vorsitzende Mao, und ihnen gilt all unsere Bewunderung für ihre Leistung. Das auch als Anmerkung zum sogenannten Personenkult, eine These, die immer nur die Revisionisten aufs Tapet brachten, um den Marxismus in Frage zu stellen und zu bekämpfen.
Dabei ist es kein Zufall, daß vor allem das Neue am Marxismus, seine Anwendung auf eine spezifische Realität auf Widerstand stößt und sich gegen Angriffe aller Art durchsetzen muß. Das liegt zum einen daran, daß sie von den Reaktionären als Hauptgefahr für ihr Herrschaftssystem begriffen werden. Zum anderen fällt es auch Menschen, die marxistische Ideen vertreten, schwer, sich von den gewohnten Vorstellungen zu lösen und neue Ideen zu akzeptieren. Das Werk Mariáteguis bildet da keine Ausnahme. Wir meinen, daß die hier vorliegende Kritik an Mariátegui darauf zurückzuführen ist, daß seine zentralen Ideen nicht verstanden worden sind. Das mag zum Teil daran liegen, daß nur ein geringer Teil des Gesamtwerkes auf Deutsch zugänglich ist. Andererseits tun sich die Menschen aus den imperialistischen Ländern erfahrungsgemäß schwer, die Besonderheiten der Revolution in den unterdrückten Nationen zu begreifen, weil die dortige Wirklichkeit sich dem Außenstehenden bestenfalls oberflächlich erschließt.
Die Kritik an Mariátegui ist schon aus dem Grunde unhaltbar, weil seine Ideen längst von der Praxis bestätigt worden sind und täglich aufs neue bestätigt werden. Die peruanischen Kommunisten und Revolutionäre, die seinen Weg weiter verfolgen, allen voran der Vorsitzende Gonzalo, der die Thesen Mariáteguis meisterhaft weiterentwickelt hat, haben die PCP zur ideologisch, politisch und organisatorisch am weitesten entwickelten kommunistischen Partei der Welt gemacht. Die Erfolge bestätigen die Richtigkeit der Gonzalogedanken und damit auch die politische Linie José Carlos Mariáteguis, denn das eine baut auf dem anderen auf. Die derzeitigen Schwierigkeiten der peruanischen Revolution sind nicht darauf zurückzuführen, daß der eingeschlagene Weg falsch ist, sondern auf die Entwicklung des Widerspruchs zwischen Revolution und Konterrevolution, der neue Probleme aufgeworfen hat, die aufgrund der Verhaftung des Vorsitzenden Gonzalo und der Zentralen Führung der PCP nicht angemessen gelöst worden sind. Dank des konsequenten Festhaltens an ihrer Ideologie, dem Marxismus-Leninismus-Maoismus, und deren kreative Anwendung durch die Gonzalo-Gedanken, ist die PCP derzeit dabei, die Schwierigkeiten zu überwinden, um die Revolution unter den neuen Bedingungen fortzusetzen.
Der Prozeß der peruanischen Revolution seit Mariátegui enthält eine große Lehre für alle Revolutionäre der Welt: Der Marxismus ist eine unfehlbare und unbesiegbare Waffe für diejenigen, die ihn zu gebrauchen wissen. Das bedeutet, konsequent an den Prinzipien festzuhalten und sie flexibel anzuwenden. Wird er dagegen andersherum praktiziert, ist die Revolution zum Scheitern verurteilt ist und der Marxismus wird zu einer toten Lehre, zu etwas Abstraktem, zu einer bürgerlichen Methode unter vielen.
Was unsere Einstellung gegenüber der Kritik an der peruanischen Revolution angeht, vertreten wir die Position des Vorsitzenden Gonzalo, der 1988 in seinem bekannten Interview sagte: "Der Vorsitzende Mao sagte folgendes: Uns wurden viele Ratschläge erteilt, einige waren gut, die anderen schlecht, die guten haben wir angenommen, die schlechten haben wir zurückgewiesen. Hätten wir dennoch ein falsches Prinzip akzeptiert, wäre das nicht die Schuld desjenigen, der es vorgeschlagen hat, sondern unsere eigene Verantwortung. Warum? Weil wir Entscheidungsfreiheit haben, die der Unabhängigkeit entspringt, und das führt uns zur Notwendigkeit, uns materiell selbst zu unterhalten, uns auf unsere eigenen Kräfte zu stützen. Heißt das, daß wir gegen den proletarischen Internationalismus sind? Nein, im Gegenteil, wir sind überzeugte und konsequente Verfechter des proletarischen Internationalismus und vertrauen auf die Unterstützung des internationalen Proletariats, der unterdrückten Nationen, der Völker der Welt, die Parteien selbst und die Organisationen, die am Marxismus festhalten, welches auch der Grad ihrer Entwicklung sein mag, und sind der Ansicht, daß die wichtigste Unterstützung ihr eigener Kampf ist. Die Propagandaarbeit oder die Veranstaltungen, die sie durchführen, sind eine Hilfe, welche auf die öffentliche Meinung einwirkt, sie sind Ausdruck des proletarischen Internationalismus. Die Unterstützung besteht auch aus den Ratschlägen, die sie uns erteilen, in den Meinungen, die sie äußern, doch wie gesagt, wir sind diejenigen, die entscheiden müssen, ob wir sie akzeptieren oder nicht. Sind sie richtig, so sind sie natürlich willkommen, denn unter Parteien haben wir die Verpflichtung, uns in schwierigen und komplexen Zeiten gegenseitig zu helfen. Darum wiederhole ich noch einmal: All die Kämpfe des Proletariats, der unterdrückten Nationen, der Parteien und Organisationen, die am Marxismus festhalten, all diese Kämpfe sind die wichtigste und größte konkrete Unterstützung durch den proletarischen Internationalismus. Die allergrößte Hilfe, die wir haben, ist jedoch der unauslöschliche Marxismus-Leninismus-Maoismus, die Ideologie des internationalen Proletariats, welche die Arbeiterklasse in langen Jahrzehnten und Tausenden von Kämpfen auf der ganzen Welt hervorgebracht hat. Das ist die großartigste Hilfe, die wir erhalten, denn sie ist das Licht; ohne dieses Licht wären wir blind, doch mit ihm können wir sehen und handeln. So betrachten wir dieses Problem und so kommen wir voran."
Die Aufforderung an die Sozialisten und Marxisten, sich an einen Tisch zu setzen, um Ideen auszutauschen und mit der Klärung der anstehenden Probleme zu beginnen, halten wir für gut und richtig. Allerdings sind wir der Ansicht, daß die in dem Artikel erwähnten Probleme der internationalen kommunistischen Bewegung im wesentlichen geklärt sind, und es heute in erster Linie darum geht, sich die Grundprinzipien des Marxismus-Leninismus-Maoismus anzueignen und zu lernen, diese für die Lösung der konkreten Probleme einzusetzen, vor denen die Weiterentwicklung der eigenen Revolution steht. So sollte die Auseinandersetzung mit dem Vorgehen des Imperialismus in Lateinamerika im Hinblick auf seine Bedeutung für die Revolution in den imperialistischen Ländern erfolgen, denn solange die Großbourgeoisie ihre Herrschaft über nationale Regierungen ausübt, hat jedes Land hat seinen eigenen revolutionären Prozeß mit seinen Besonderheiten, was internationale Unterstützung unter revolutionären Organisationen natürlich nicht ausschließt. Was Peru angeht, so ist der Weg der Revolution klar, denn die peruanische Revolution ist nicht zuletzt deshalb der am weitesten entwickelte revolutionäre Prozeß der Welt, weil die wichtigsten Probleme der nationalen und internationalen Politik geklärt sind, und das nicht erst seit heute, wobei selbstverständlich neue Entwicklungen berücksichtigt werden und richtig eingeschätzt werden müssen. Doch die Erfahrung zeigt und wir vertrauen darauf, daß die peruanischen Kommunisten, allen voran ihr Führer, der Vorsitzende Gonzalo, auch die Probleme der Zukunft bewältigen werden. Was wir tun können, ist, diese Erfahrungen zu studieren und an andere Revolutionäre und Kommunisten weiterzugeben, damit sie ihnen Denkanstöße geben, um ihren eigenen Weg zu finden, und darum bemühen wir uns.
|