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Bisher haben wir beim besten Willen nicht entdecken können, wie Herr Dühring dazu kommt, auf dem Gebiet der Ökonomie
»mit dem Anspruch auf ein neues, nicht etwa bloß der Epoche genügendes, sondern für die Epoche maßgebendes System aufzutreten«.
|205| Was wir aber bei der Gewaltstheorie, bei Wert und Kapital nicht zu sehn vermochten, vielleicht springt es uns sonnenklar in die Augen bei Betrachtung der von Herrn Dühring aufgestellten »Naturgesetze der Volkswirtschaft«. Denn, wie er sich mit gewohnter Neuheit und Schärfe ausdrückt,
»der Triumph der höhern Wissenschaftlichkeit besteht darin, über die bloßen Beschreibungen und Einteilungen des gleichsam ruhenden Stoffs zu den lebendigen, die Erzeugung beleuchtenden Einsichten zu gelangen. Die Erkenntnis der Gesetze ist daher die vollkommenste; denn sie zeigt uns, wie ein Vorgang durch den andern bedingt wird.«
Gleich das erste Naturgesetz aller Wirtschaft ist speziell von Herrn Dühring entdeckt worden.
Adam Smith »hat merkwürdigerweise den wichtigsten Faktor aller wirtschaftlichen Entwicklungen nicht bloß nicht an die Spitze gestellt, sondern auch dessen besondre Formulierung ganz unterlassen und auf diese Weise diejenige Macht, die der modernen europäischen Entwicklung ihren Stempel aufgedrückt hatte, unwillkürlich zu einer untergeordneten Rolle herabgewürdigt«. Dies »Grundgesetz, welches an die Spitze gestellt werden muß, ist dasjenige der technischen Ausrüstung, ja man könnte sagen der Bewaffnung der natürlich gegebnen Wirtschaftskraft des Menschen«.
Dies von Herrn Dühring entdeckte »Fundamentalgesetz« lautet wie folgt:
Gesetz Nr. 1. »Die Produktivität der wirtschaftlichen Mittel, Naturhülfsquellen und Menschenkraft, wird durch Erfindungen und Entdeckungen gesteigert.« Wir staunen. Herr Dühring behandelt uns ganz wie jener Spaßvogel bei Molière den neugebacknen Adligen, dem er die Neuigkeit mitteilt, er habe sein ganzes Leben lang Prosa gesprochen, ohne es zu wissen. Daß Erfindungen und Entdeckungen in manchen Fällen die Produktivkraft der Arbeit steigern (in sehr vielen Fällen aber auch nicht, wie die massenhafte Archivmakulatur aller Patentämter der Welt beweist), das haben wir längst gewußt; daß diese uralte Trivialität aber das Fundamentalgesetz der ganzen Ökonomie ist - diese Aufklärung verdanken wir Herrn Dühring. Wenn »der Triumph der höheren Wissenschaftlichkeit« in der Ökonomie, wie in der Philosophie, nur darin besteht, dem ersten besten Gemeinplatz einen volltönenden Namen zu geben, ihn als ein Naturgesetz oder gar Fundamentalgesetz auszuposaunen, so ist das »tiefere Grundlegen« und Umwälzen der Wissenschaft in der Tat auch für jedermann, selbst für die Redaktion der Berliner »Volks-Zeitung« möglich gemacht. Wir wären dann »in aller Strenge« genötigt, Herrn Dührings Urteil über Plato auf Herrn Dühring selbst anzuwenden wie folgt: |206| »Wenn indessen so etwas nationalökonomische Weisheit sein soll, so hat sie der Urheber der« kritischen Grundlegungen »mit jeder Person gemein, die überhaupt zu einem Gedanken« - ja sogar bloß zu einem Gerede - »über das auf der Hand Liegende Veranlassung erhielt.«
Wenn wir z.B. sagen: die Tiere fressen, so sprechen wir in unsrer Unschuld ein großes Wort gelassen aus; denn wir brauchen nur zu sagen, es sei das Fundamentalgesetz alles Tierlebens, zu fressen, und wir haben die ganze Zoologie umgewälzt.
Gesetz Nr. 2. Teilung der Arbeit: »Die Spaltung der Berufszweige und die Zerlegung der Tätigkeiten erhöht die Produktivität der Arbeit.« Soweit dies richtig, ist es seit Adam Smith ebenfalls Gemeinplatz. Wie weit es richtig, wird sich im dritten Abschnitt zeigen.
Gesetz Nr. 3. »Entfernung und Transport sind die Hauptursachen, durch welche das Zusammenwirken der produktiven Kräfte gehemmt und gefördert wird.«
Gesetz Nr. 4. »Der Industriestaat hat unvergleichlich mehr Bevölkerungskapazität als der Ackerbaustaat.«
Gesetz Nr. 5. »In der Ökonomie geschieht nichts ohne ein materielles Interesse.« Das sind die »Naturgesetze«, auf die Herr Dühring seine neue Ökonomie begründet. Er bleibt seiner, in der Philosophie schon dargestellten Methode treu. Ein paar, manchmal dazu noch schief ausgedrückte Selbstverständlichkeiten von trostlosester Landläufigkeit bilden die Axiome, die keines Beweises bedürfen, die Fundamentalsätze, die Naturgesetze auch der Ökonomie. Unter dem Vorwand, den Inhalt dieser Gesetze zu entwickeln, die keinen Inhalt haben, wird die Gelegenheit benutzt zu einer breiten ökonomischen Kannegießerei über die verschiednen Themata, deren Namen in diesen angeblichen Gesetzen vorkommen, also über Erfindungen, Teilung der Arbeit, Transportmittel, Bevölkerung, Interesse, Konkurrenz usw., einer Kannegießerei, deren platte Alltäglichkeit gewürzt wird nur durch orakelhafte Grandiloquenzen und hier und da durch schiefe Auffassung oder wichtigtuende Spintisierung über allerlei kasuistische Subtilitäten. Dann kommen wir schließlich auf Bodenrente, Kapitalgewinn und Arbeitslohn, und da wir im Vorhergehenden nur die beiden letztern Aneignungsformen behandelt, so wollen wir hier zum Schluß noch die Dühringsche Auffassung der Grundrente kurz untersuchen.
Wir lassen dabei alle Punkte unberücksichtigt, in denen Herr Dühring bloß seinen Vorgänger Carey abschreibt; wir haben es nicht mit Carey zu tun, auch nicht die Ricardosche Auffassung der Grundrente gegen Careys Verdrehungen und Torheiten zu verteidigen. Uns geht bloß Herr Dühring an, und dieser definiert die Grundrente als
|207| »dasjenige Einkommen, welches der Eigentümer als solcher vom Grund und Boden bezieht«.
Den ökonomischen Begriff der Grundrente, den Herr Dühring erklären soll, übersetzt er kurzerhand ins juristische, so daß wir nicht klüger sind als vorher. Unser tieferer Grundleger muß sich daher, wohl oder übel, zu weitern Erörterungen herbeilassen. Er vergleicht nun die Verpachtung eines Ackerguts an einen Pächter mit dem Ausleihen eines Kapitals an einen Unternehmer, findet aber bald, daß der Vergleich, wie mancher andre, hinkt.
Denn, sagt er, »wollte man die Analogie weiter verfolgen, so müßte der Gewinn, der dem Pächter nach Abzahlung der Bodenrente übrigbleibt, demjenigen Rest des Kapitalgewinns entsprechen, welcher dem Unternehmer, der mit dem Kapital wirtschaftet, nach Abzug der Zinsen zufällt. Man ist aber nicht gewohnt, die Pächtergewinne als die Haupteinkünfte und die Grundrente als einen Rest anzusehn. ... Ein Beweis für diese Verschiedenheit der Auffassung ist die Tatsache, daß man in der Lehre von der Bodenrente den Fall der Selbstbewirtschaftung nicht besonders auszeichnet, und auf die Größendifferenz einer in Form der Pacht und einer selbsterzeugten Rente kein sonderliches Gewicht legt. Wenigstens hat man sich nicht veranlaßt gefunden, die aus der Selbstbewirtschaftung hervorgehende Rente derartig zerlegt zu denken, daß der eine Bestandteil gleichsam den Zins des Grundstücks und der andre den Überschußgewinn des Unternehmertums repräsentierte. Abgesehn von dem eignen Kapital, welches der Pächter zur Anwendung bringt, scheint man seinen speziellen Gewinn, meistens für eine Art Arbeitslohn zu halten. Doch ist es bedenklich, hierüber etwas behaupten zu wollen, da man sich die Frage in dieser Bestimmtheit gar nicht vorgelegt hat. Überall wo es sich um größere Wirtschaften handelt, wird man mit Leichtigkeit einsehn können, daß es nicht angeht, den spezifischen Pächtergewinn als Arbeitslohn gelten zu lassen. Dieser Gewinn beruht nämlich selbst auf dem Gegensatz gegen die ländliche Arbeitskraft, deren Ausnutzung allein jene Einkünfteart möglich macht. Es ist offenbar ein Stück Rente, welches in den Händen des Pächters bleibt, und durch welches die volle Rente, die bei der Bewirtschaftung durch den Eigentümer erzielt werden würde, verkürzt wird.«
Die Theorie von der Bodenrente ist ein spezifisch englisches Stück Ökonomie und mußte es sein, weil nur in England eine Produktionsweise bestand, bei der die Rente sich auch tatsächlich von Profit und Zins abgesondert hatte. In England herrscht bekanntlich großer Grundbesitz und große Agrikultur. Die Grundeigentümer verpachten ihre Ländereien in großen, oft sehr großen Ackergütern an Pächter, die mit hinreichendem Kapital zu deren Bewirtschaftung versehen sind und nicht, wie unsre Bauern, selbst arbeiten, sondern als richtige kapitalistische Unternehmer die Arbeit von Hofgesinde und Taglöhnern verwenden. Hier haben wir |208| also die drei Klassen der bürgerlichen Gesellschaft und das einer jeden eigentümliche Einkommen: den Grundeigentümer, der die Grundrente, den Kapitalisten, der den Profit, und den Arbeiter, der den Arbeitslohn bezieht. Nie ist es einem englischen Ökonomen eingefallen, den Gewinn des Pächters, wie dies Herrn Dühring scheint, für eine Art Arbeitslohn zu halten; noch viel weniger konnte es für ihn bedenklich sein, zu behaupten, des Pächters Profit sei das, was er unbestreitbar, augenscheinlich und handgreiflich ist, nämlich Kapitalprofit. Es ist gradezu lächerlich, wenn es hier heißt, man habe sich die Frage, was der Pächtergewinn eigentlich sei, in dieser Bestimmtheit gar nicht vorgelegt. In England braucht man sich diese Frage gar nicht erst vorzulegen, die Frage wie die Antwort liegen seit lange vor in den Tatsachen selbst, und es hat darüber seit Adam Smith nie ein Zweifel bestanden.
Der Fall der Selbstbewirtschaftung, wie Herr Dühring es nennt, oder vielmehr der Bewirtschaftung durch Verwalter für Rechnung des Grundbesitzers, wie er in der Wirklichkeit in Deutschland sich mehrentells ereignet, ändert nichts an der Sache. Wenn der Grundbesitzer auch das Kapital liefert und für eigne Rechnung wirtschaften läßt, so steckt er außer der Grundrente noch den Kapitalprofit in die Tasche, wie das nach der heutigen Produktionsweise sich von selbst versteht und gar nicht anders sein kann. Und wenn Herr Dühring behauptet, man habe sich bisher nicht veranlaßt gefunden, die aus der Selbstbewirtschaftung hervorgehende Rente (soll heißen Revenue) zerlegt zu denken, so ist das einfach nicht wahr und beweist im besten Fall nur wieder seine eigne Unwissenheit. Zum Beispiel: »Das Einkommen, das sich aus Arbeit herleitet, heißt Arbeitslohn; dasjenige, welches jemand aus der Anwendung von Kapital herleitet, heißt Profit ... das Einkommen, das ausschließlich aus dem Boden entspringt, wird Rente genannt und gehört dem Grundbesitzer. ... Wenn diese verschiednen Arten von Einkommen verschiednen Personen zufallen, sind sie leicht zu unterscheiden; fallen sie aber derselben Person zu, so werden sie wenigstens in der alltäglichen Sprache häufig durcheinandergeworfen. Ein Grundbesitzer, der einen Teil seines eignen Boden selbst bewirtschaftet, sollte nach Abzug der Bewirtschaftungskosten sowohl die Rente des Grundbesitzers wie den Profit des Pächters erhalten. |Hervorhebungen von Engels| Er wird aber leicht, in der gewöhnlichen Sprache wenigstens, seinen ganzen Gewinn Profit nennen und so die Rente mit dem Profit zusammenwerfen. Die Mehrzahl unsrer nordamerikanischen und westindischen Pflanzer sind in dieser Lage; die meisten bebauen ihre eignen Besitzungen, und so hören wir selten von der Rente einer Pflanzung, wohl aber von dem Profit, den sie abwirft ... Ein Gärtner, der seinen |209| eignen Garten eigenhändig bebaut, ist in einer Person Grundbesitzer, Pächter und Arbeiter. Sein Produkt sollte ihm daher die Rente des ersten, den Profit des zweiten und den Lohn des dritten zahlen. Das Ganze gilt aber gewöhnlich als sein Arbeitsverdienst; Rente und Profit werden hier also zusammengeworfen mit dem Arbeitslohn.«
Diese Stelle steht im 6. Kapitel des ersten Buchs von Adam Smith. Der Fall der Selbstbewirtschaftung ist also schon vor hundert Jahren untersucht, und die Bedenklichkeiten und Unsicherheiten, die Herrn Dühring hier soviel Kummer machen, entspringen lediglich aus seiner eignen Unwissenheit.
Zuletzt rettet er sich aus der Verlegenheit durch einen kühnen Griff:
Der Pächtergewinn beruht auf Ausbeutung der »ländlichen Arbeitskraft« und ist daher offenbar ein »Stück Rente«, um welches die »volle Rente«, die eigentlich in die Tasche des Grundbesitzers fließen sollte, »verkürzt wird«.
Hiermit erfahren wir zweierlei. Erstens, daß der Pächter die Rente des Grundbesitzers »verkürzt«, so daß also bei Herrn Dühring nicht, wie man sich bisher vorgestellt hatte, es der Pächter ist, welcher dem Grundbesitzer, sondern der Grundbesitzer, welcher dem Pächter Rente zahlt - allerdings eine »von Grund aus eigentümliche Anschauung«. Und zweitens erfahren wir endlich, was Herr Dühring sich unter Grundrente vorstellt; nämlich das ganze bei der Ausbeutung der ländlichen Arbeit im Ackerbau erzielte Mehrprodukt. Da dies Mehrprodukt aber in der bisherigen Ökonomie - einige Vulgärökonomen etwa ausgenommen - in Grundrente und Kapitalprofit zerfällt, so haben wir zu konstatieren, daß auch von der Grundrente Herr Dühring »nicht den gemeingültigen Begriff hegt«.
Also Grundrente und Kapitalgewinn unterscheiden sich nach Herrn Dühring nur dadurch, daß die erstere im Ackerbau erwirkt wird und der andre in der Industrie oder im Handel. Zu dieser unkritischen und verworrnen Vorstellungsweise gelangt Herr Dühring mit Notwendigkeit. Wir sahen, daß er von der »wahren historischen Auffassung« ausging, wonach die Herrschaft über den Boden nur vermittelst der Herrschaft über den Menschen begründet sei. Sobald also Boden vermittelst irgendeiner Form von Knechtsarbeit bebaut wird, entsteht ein Überschuß für den Grundherrn, und dieser Überschuß ist eben die Rente, wie der Überschuß des Arbeitsprodukts über den Arbeitsgewinn in der Industrie der Kapitalgewinn ist.
»Auf diese Weise ist klar, daß die Bodenrente zu jeder Zeit und überall da in erheblichem Maß existiert, wo die Ackerkultur vermittelst irgendeiner der Unterwerfungsformen der Arbeit betrieben wird.« |210| Bei dieser Darstellung der Rente, als des gesamten beim Ackerbau erzielten
Mehrprodukts, kommt ihm nun einerseits der englische Pächterprofit und andrerseits die von diesem entlehnte, in der ganzen klassischen Ökonomie gültige Teilung jenes Mehrprodukts in Grundrente und Pächterprofit, und damit die reine präzise Fassung der Rente, quer in den Weg. Was tut Herr Dühring? Er stellt sich, als kenne er von der Einteilung des Ackerbau-Mehrprodukts in Pächterprofit und Grundrente, also von der ganzen Rententheorie der klassischen Ökonomie kein Sterbenswörtchen; als sei in der gesamten Ökonomie die Frage, was der Pächterprofit eigentlich sei, noch gar nicht »in dieser Bestimmtheit« gestellt worden; als handle es sich um einen ganz unerforschten Gegenstand, über den nichts bekannt ist als Schein und Bedenklichkeiten. Und er flüchtet aus dem fatalen England, wo das Mehrprodukt des Ackerbaus ganz ohne Zutun irgendwelcher theoretischen Schule so erbarmungslos zerteilt ist in seine Bestandteile: Grundrente und Kapitalprofit, nach seinem vielgeliebten Geltungsbereich des preußischen Landrechts, wo die Selbstbewirtschaftung in voller patriarchalischer Blüte steht, wo »der Gutsbesitzer unter Rente die Einkünfte von seinen Grundstücken versteht« und die Ansicht der Herren Junker über die Rente noch mit dem Anspruch auftritt, für die Wissenschaft maßgebend zu sein, wo also Herr Dühring noch hoffen kann, mit seiner Begriffsverwirrung über Rente und Profit durchzuschlüpfen und sogar Glauben zu finden für seine neueste Entdeckung, daß die Grundrente gezahlt werde nicht vom Pächter an den Grundbesitzer, sondern vom Grundbesitzer an den Pächter.