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Einen ganz groben ökonomischen Quartanerschnitzer, der zugleich eine gemeingefährliche sozialistische Ketzerei in sich schließt, hat Herr Dühring bei Marx entdeckt.
Die Marxsche Werttheorie ist »nichts weiter als die gewöhnliche ... Lehre, daß die Arbeit Ursache aller Werte und die Arbeitszeit das Maß derselben sei. In völliger Unklarheit verbleibt hierbei die Vorstellung von der Art, wie man den unterschiedlichen Wert der sogenannten qualifizierten Arbeit denken solle... Allerdings kann auch nach unserer Theorie nur die verwendete Arbeitszeit die natürlichen Selbstkosten und mithin den absoluten Wert der wirtschaftlichen Dinge messen; aber hierbei wird die Arbeitszeit eines jeden von vornherein völlig gleichzuachten sein, und man wird nur zuzusehn haben, wo bei qualifiziertern Leistungen zu der individuellen Arbeitszeit des einzelnen noch diejenige andrer Personen ... etwa in dem gebrauchten Werkzeug, mitwirkt. Es ist also nicht, wie sich Herr Marx nebelhaft vorstellt, die Arbeitszeit jemandes an sich mehr wert als die einer andern Person, weil darin mehr durchschnittliche Arbeitszeit gleichsam verdichtet wäre, sondern alle Arbeitszeit ist ausnahmslos und prinzipiell, also ohne daß man erst einen Durchschnitt zu nehmen hätte, vollkommen gleichwertig, und man hat nur bei den Leistungen einer Person, ebenso wie bei jedem fertigen Erzeugnis zuzusehn, wieviel Arbeitszeit andrer Personen in der Anwendung scheinbar bloß eigner Arbeitszeit verdeckt sein möge. Ob es ein Produktionswerkzeug der Hand oder die Hand, ja der Kopf selbst ist, was nicht ohne andrer Leute Arbeitszeit die besondre Eigenschaft und Leistungsfähigkeit erhalten konnte, darauf kommt für die strenge Gültigkeit der Theorie nicht das mindeste an. Herr Marx wird aber in seinen Auslassungen über den Wert das im Hintergrund spukende Gespenst einer qualifizier- |183| ten Arbeitszeit nicht los. In dieser Richtung durchzugreifen, hat ihn die überkommne Denkweise der gelehrten Klassen gehindert, der es als eine Ungeheuerlichkeit erscheinen muß, die Arbeitszeit des Karrenschiebers und diejenige des Architekten an sich als ökonomisch völlig gleichwertig anzuerkennen.«
Die Stelle bei Marx, die diesen »gewaltigem Zorn«des Herrn Dühring veranlaßt, ist sehr kurz. Marx untersucht, wodurch der Wert der Waren bestimmt wird, und antwortet: Durch die in ihnen enthaltene menschliche Arbeit. Diese, fährt er fort, »ist Verausgabung einfacher Arbeitskraft, die im Durchschnitt jeder gewöhnliche Mensch ohne besondre Entwicklung in seinem leiblichen Organismus besitzt ... Kompliziertere Arbeit gilt nur als potenzierte oder vielmehr multiplizierte einfache Arbeit, so daß ein kleineres Quantum komplizierter Arbeit gleich einem größern Quantum einfacher Arbeit. Daß diese Reduktion beständig vorgeht, zeigt die Erfahrung. Eine Ware mag das Produkt der kompliziertesten Arbeit sein, ihr Wert setzt sie dem Produkt einfacher Arbeit gleich und stellt daher selbst nur ein bestimmtes Quantum einfacher Arbeit dar. Die verschiednen Proportionen, worin verschiedne Arbeitsarten auf einfache Arbeit als ihre Maßeinheit reduziert sind, werden durch einen gesellschaftlichen Prozeß hinter dem Rücken der Produzenten festgesetzt, und scheinen ihnen daher durch das Herkommen gegeben.« |Siehe Karl Marx, »Das Kapital«, Bd. I, in: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, Bd. 23, S. 59|
Es handelt sich hier bei Marx zunächst nur um die Bestimmung des Werts von Waren, also von Gegenständen, die innerhalb einer aus Privatproduzenten bestehenden Gesellschaft, von diesen Privatproduzenten für Privatrechnung produziert und gegeneinander ausgetauscht werden. Es handelt sich hier also keineswegs um den »absoluten Wert«, wo dieser auch immer sein Wesen treiben möge, sondern um den Wert, der in einer bestimmten Gesellschaftsform Geltung hat. Dieser Wert, in dieser bestimmten geschichtlichen Fassung, erweist sich als geschaffen und gemessen durch die in den einzelnen Waren verkörperte menschliche Arbeit, und diese menschliche Arbeit erweist sich weiterhin als Verausgabung einfacher Arbeitskraft. Nun ist aber nicht jede Arbeit eine bloße Verausgabung von einfacher menschlicher Arbeitskraft; sehr viele Gattungen von Arbeit schließen die Anwendung von mit mehr oder weniger Mühe, Zeit- und Geldaufwand erworbnen Geschicklichkeiten oder Kenntnissen in sich ein. Erzeugen diese Arten von zusammengesetzter Arbeit in gleichen Zeiträumen denselben Warenwert wie die einfache Arbeit, die Verausgabung von bloßer einfacher Arbeitskraft? Augenscheinlich nein. Das Produkt der Stunde zusammen- |184| gesetzter Arbeit ist eine Ware von höherm, doppeltem oder dreifachem Wert, verglichen mit dem Produkt der Stunde einfacher Arbeit. Der Wert der Erzeugnisse der zusammengesetzten Arbeit wird durch diese Vergleichung ausgedrückt in bestimmten Mengen einfacher Arbeit; aber diese Reduktion der zusammengesetzten Arbeit vollzieht sich durch einen gesellschaftlichen Prozeß, hinter dem Rücken der Produzenten, durch einen Vorgang, der hier, bei der Entwicklung der Werttheorie, nur festzustellen, aber noch nicht zu erklären ist.
Diese einfache, in der heutigen kapitalistischen Gesellschaft sich täglich vor unsern Augen vollziehende Tatsache ist es, die Marx hier konstatiert. Diese Tatsache ist so unbestreitbar, daß selbst Herr Dühring sie weder in seinem »Cursus« noch in seiner Geschichte der Ökonomie zu bestreiten wagt; und die Marxsche Darstellung ist so einfach und durchsichtig, daß sicher niemand »in völliger Unklarheit hierbei verbleibt« außer Herrn Dühring. Vermittelst dieser seiner völligen Unklarheit versieht er den Warenwert, mit dessen Untersuchung sich Marx zunächst allein beschäftigt, für »die natürlichen Selbstkosten«, die die Unklarheit nur noch völliger machen, und gar für den »absoluten Wert«, der bisher in der Ökonomie unsres Wissens nirgendwo Kurs hatte. Was aber Herr Dühring auch unter den natürlichen Selbstkosten verstehn und welche seiner fünf Arten Wert auch die Ehre haben möge, den absoluten Wert vorzustellen, soviel ist sicher, daß von allen diesen Dingen bei Marx nicht die Rede ist, sondern nur vom Warenwert; und daß in dem ganzen Abschnitt des »Kapital« über den Wert auch nicht die geringste Andeutung darüber vorkommt, ob oder in welcher Ausdehnung Marx diese Theorie des Warenwerts auch auf andre Gesellschaftsformen anwendbar hält.
Es ist also nicht, fährt Herr Dühring fort, »es ist also nicht, wie sich Herr Marx nebelhaft vorstellt, die Arbeitszeit jemandes an sich mehr wert, als die einer andern Person, weil darin mehr durchschnittliche Arbeit gleichsam verdichtet wäre, sondern alle Arbeitszeit ist ausnahmslos und prinzipiell, also ohne daß man erst einen Durchschnitt zu nehmen hätte, vollkommen gleichwertig«.
Es ist ein Glück für Herrn Dühring, daß ihn das Schicksal nicht zum Fabrikanten gemacht und ihn so davor bewahrt hat, den Wert seiner Waren nach dieser neuen Regel anzusetzen und damit dem Bankrott unfehlbar in die Arme zu laufen. Doch wie! Befinden wir uns hier denn noch in der Gesellschaft der Fabrikanten? Keineswegs. Mit den natürlichen Selbstkosten und dem absoluten Wert hat uns Herr Dühring einen Sprung machen lassen, einen wahren Salto mortale aus der gegenwärtigen schlechten Welt der Ausbeuter in seine eigne Wirtschaftskommune der Zukunft, in die reine |185| Himmelsluft der Gleichheit und Gerechtigkeit, und wir müssen uns also diese neue Welt, wenn auch vorzeitig, hier schon ein wenig ansehn.
Allerdings kann, nach Herrn Dührings Theorie, auch in der Wirtschaftskommune nur die verwendete Arbeitszeit den Wert der wirtschaftlichen Dinge messen, aber hierbei wird die Arbeitszeit eines jeden von vornherein völlig gleichzuachten sein, alle Arbeitszeit ist ausnahmslos und prinzipiell vollkommen gleichwertig, und zwar ohne daß man erst einen Durchschnitt zu nehmen hätte. Und nun halte man gegen diesen radikalen Gleichheitssozialismus die nebelhafte Vorstellung von Marx, als sei die Arbeitszeit jemandes an sich mehr wert als die einer andern Person, weil darin mehr durchschnittliche Arbeitszeit verdichtet sei, eine Vorstellung, in der ihn die überkommne Denkweise der gelehrten Klassen befangen hält, der es als eine Ungeheuerlichkeit erscheinen muß, die Arbeitszeit des Karrenschiebers und die des Architekten als ökonomisch völlig gleichwertig anzuerkennen!
Leider macht Marx zu der oben angeführten Stelle im »Kapital« die kleine Anmerkung: »Der Leser muß aufmerken, daß hier nicht vom Lohn oder Wert die Rede ist, den der Arbeiter etwa für einen Arbeitstag erhält, sondern vom Warenwert, worin sich sein Arbeitstag vergegenständlicht.« |Siehe Karl Marx, »Das Kapital«, Bd. I, in: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, Bd. 23, S. 59, alle Hervorhebungen von Engels| Marx, der hier seinen Dühring vorhergeahnt zu haben scheint, verwahrt sich also selbst dagegen, daß man seine obigen Sätze auch nur auf den in der heutigen Gesellschaft für zusammengesetzte Arbeit etwa zu zahlenden Lohn anwende. Und wenn Herr Dühring, nicht zufrieden damit, dies dennoch zu tun, jene Sätze für die Grundsätze ausgibt, nach denen Marx die Verteilung der Lebensmittel in der sozialistisch organisierten Gesellschaft geregelt wissen wolle, so ist das eine Schamlosigkeit der Unterschiebung, die nur in der Revolverliteratur ihresgleichen findet.
Doch besehn wir uns die Gleichwertigkeitslehre etwas näher. Alle Arbeitszeit ist vollkommen gleichwertig, die des Karrenschiebers und die des Architekten. Also hat die Arbeitszeit, und damit die Arbeit selbst, einen Wert. Die Arbeit aber ist die Erzeugerin aller Werte. Sie allein ist es, die den vorgefundnen Naturprodukten einen Wert im ökonomischen Sinne gibt. Der Wert selbst ist nichts andres, als der Ausdruck der in einem Ding vergegenständlichten, gesellschaftlich notwendigen menschlichen Arbeit. Die Arbeit kann also keinen Wert haben. Ebensogut wie von einem Wert der Arbeit sprechen und ihn bestimmen wollen, ebensogut könnte man vom Wert des Werts sprechen oder das Gewicht, nicht eines schweren Körpers, |186| sondern der Schwere selbst bestimmen wollen. Herr Dühring fertigt Leute wie Owen, Saint-Simon und Fourier ab mit dem Titel: soziale Alchimisten. Indem er über den Wert der Arbeitszeit, d.h. der Arbeit spintisiert, beweist er, daß er noch tief unter den wirklichen Alchimisten steht. Und nun ermesse man die Kühnheit, mit der Herr Dühring Marx die Behauptung in die Schuhe schiebt, als sei die Arbeitszeit jemandes an sich mehr wert, als die einer andern Person, als habe die Arbeitszeit, also die Arbeit, einen Wert - Marx, der zuerst entwickelt hat, daß und warum die Arbeit keinen Wert haben kann!
Für den Sozialismus, der die menschliche Arbeitskraft von ihrer Stellung als Ware emanzipieren will, ist die Einsicht von hoher Wichtigkeit, daß die Arbeit keinen Wert hat, keinen haben kann. Mit ihr fallen alle Versuche, die sich aus dem naturwüchsigen Arbeitersozialismus auf Herrn Dühring vererbt haben, die künftige Verteilung der Existenzmittel als eine Art höhern Arbeitslohns zu regulieren. Aus ihr folgt die weitere Einsicht, daß die Verteilung, soweit sie durch rein ökonomische Rücksichten beherrscht wird, sich regeln wird durch das Interesse der Produktion, und die Produktion wird gefördert am meisten durch eine Verteilungsweise, die allen Gesellschaftsgliedern erlaubt, ihre Fähigkeiten möglichst allseitig auszubilden, zu erhalten und auszuüben. Der dem Herrn Dühring überkommnen Denkweise der gelehrten Klassen muß es allerdings als eine Ungeheuerlichkeit erscheinen, daß es einmal keine Karrenschieber und keine Architekten von Profession mehr geben soll und daß der Mann, der eine halbe Stunde lang als Architekt Anweisungen gegeben hat, auch eine Zeitlang die Karre schiebt, bis seine Tätigkeit als Architekt wieder in Anspruch genommen wird. Ein schöner Sozialismus, der die Karrenschieber von Profession verewigt! Soll die Gleichwertigkeit der Arbeitszeit den Sinn haben, daß jeder Arbeiter in gleichen Zeiträumen gleiche Werte produziert, ohne daß man erst einen Durchschnitt zu nehmen hätte, so ist das augenscheinlich falsch. Bei zwei Arbeitern, auch desselben Geschäftszweigs, wird sich das Wertprodukt der Arbeitsstunde immer nach Intensität der Arbeit und Geschicklichkeit verschieden stellen; diesem Übelstand, der indes nur für Leute à la Dühring einer ist, kann nun einmal keine Wirtschaftskommune, wenigstens nicht auf unsrem Weltkörper, abhelfen. Was bleibt also von der ganzen Gleichwertigkeit aller und jeder Arbeit? Nichts als die pure renommistische Phrase, die keine andre ökonomische Unterlage hat, als die Unfähigkeit des Herrn Dühring, zu unterscheiden zwischen Bestimmung des Werts durch die Arbeit und Bestimmung des Werts durch den Arbeitslohn - nichts als |187| der Ukas, das Grundgesetz der neuen Wirtschaftskommune: Der Arbeitslohn für gleiche Arbeitszeit soll gleich sein! Da hatten die alten französischen Arbeiterkommunisten und Weitling doch weit bessere Gründe für ihre Lohngleichheit.
Wie löst sich nun die ganze wichtige Frage von der höhern Löhnung der zusammengesetzten Arbeit? in der Gesellschaft von Privatproduzenten bestreiten die Privatleute oder ihre Familien die Kosten der Ausbildung des gelernten Arbeiters; den Privaten fällt daher auch zunächst der höhere Preis der gelernten Arbeitskraft zu: der geschickte Sklave wird teurer verkauft, der geschickte Lohnarbeiter höher gelohnt. In der sozialistisch organisierten Gesellschaft bestreitet die Gesellschaft diese Kosten, ihr gehören daher auch die Früchte, die erzeugten größern Werte der zusammengesetzten Arbeit. Der Arbeiter selbst hat keinen Mehranspruch. Woraus nebenbei noch die Nutzanwendung folgt, daß es mit dem beliebten Anspruch des Arbeiters auf »den vollen Arbeitsertrag« doch auch manchmal seinen Haken hat.