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II. Gewaltstheorie

»Das Verhältnis der allgemeinen Politik zu den Gestaltungen des wirtschaftlichen Rechts ist in meinem System so entschieden und zugleich so eigentümlich bestimmt, daß eine besondre Hinweisung hierauf zur Erleichterung des Studiums nicht überflüssig sein dürfte. Die Gestaltung der politischen Beziehungen ist das geschichtlich Fundamentale, und die wirtschaftlichen Abhängigkeiten sind nur eine Wirkung oder ein Spezialfall und daher stets Tatsachen zweiter Ordnung. Einige der neuem sozialistischen Systeme machen den in die Augen fallenden Schein eines völlig umgekehrten Verhältnisses zum leitenden Prinzip, indem sie aus den wirtschaftlichen Zuständen die politischen Unterordnungen gleichsam herauswachsen lassen. Nun sind diese Wirkungen der zweiten Ordnung als solche allerdings vorhanden und in der Gegenwart am meisten fühlbar; aber das Primitive muß in der unmittelbaren politischen Gewalt und nicht erst in einer indirekten ökonomischen Macht gesucht werden.«

Ebenso an einer andern Stelle, wo Herr Dühring

»von dem Satz ausgeht, daß die politischen Zustände die entscheidende Ursache der Wirtschaftslage sind und daß die umgekehrte Beziehung nur eine Rückwirkung zweiter Ordnung darstellt ..., solange man die politische Gruppierung nicht um ihrer selbst willen zum Ausgangspunkt macht, sondern sie ausschließlich als Mittel für Futterzwecke behandelt, wird man, so radikal sozialistisch und revolutionär man auch erscheinen möge, dennoch ein verstecktes Stück Reaktion in sich bergen«.

Das ist die Theorie des Herrn Dühring. Sie wird hier und an vielen andern Stellen einfach aufgestellt, sozusagen dekretiert. Von auch nur dem geringsten Versuch des Beweises oder der Widerlegung der entgegenstehenden Ansicht ist nirgendwo in den drei dicken Büchern die Rede. Und wenn die Beweisgründe so wohlfeil wären wie die Brombeeren, Herr Dühring gäbe uns keine Beweisgründe. Die Sache ist ja schon bewiesen durch den berühmten Sündenfall, wo Robinson den Freitag geknechtet hat. Das war eine Gewalttat, also eine politische Tat. Und da diese Knechtung den Ausgangspunkt und die Grundtatsache der ganzen bisherigen Geschichte bildet und ihr die Erbsünde der Ungerechtigkeit einimpft, so zwar, daß sie in den spätern Perioden nur gemildert und »in die mehr indirekten ökonomischen Abhängigkeitsformen verwandelt« worden ist; da ebenfalls auf |148| dieser Urknechtung das ganze bisher geltend gebliebne »Gewalteigentum« beruht, so ist klar, daß alle ökonomischen Erscheinungen aus politischen Ursachen zu erklären sind, nämlich aus der Gewalt. Und wem das nicht genügt, der ist ein versteckter Reaktionär.

Bemerken wir zuerst, daß man nicht weniger in sich selbst verliebt sein muß als Herr Dühring, um diese Ansicht für so »eigentümlich« zu halten, wie sie keineswegs ist. Die Vorstellung, als wären die politischen Haupt- und Staatsaktionen das Entscheidende in der Geschichte, ist so alt wie die Geschichtschreibung selbst, und ist die Hauptursache davon, daß uns so wenig aufbewahrt worden ist über die sich im Hintergrund dieser lärmenden Auftritte still vollziehende und wirklich vorantreibende Entwicklung der Völker. Diese Vorstellung hat die ganze vergangne Geschichtsauffassung beherrscht und einen Stoß erhalten erst durch die französischen bürgerlichen Geschichtschreiber der Restaurationszeit; »eigentümlich« ist dabei nur, daß Herr Dühring von alledem wieder nichts weiß.

Ferner: nehmen wir für einen Augenblick an, Herr Dühring habe darin recht, daß alle bisherige Geschichte sich auf die Knechtung des Menschen durch den Menschen zurückführen lasse, so sind wir damit noch lange nicht der Sache auf den Grund gekommen. Sondern es fragt sich zunächst: wie kam der Robinson dazu, den Freitag zu knechten? Des bloßen Vergnügens halber? Durchaus nicht. Wir sehn im Gegenteil, daß Freitag »als Sklave oder bloßes Werkzeug zum wirtschaftlichen Dienst gepreßt und eben auch nur als Werkzeug unterhalten wird«. Robinson hat Freitag nur geknechtet, damit Freitag zum Nutzen Robinsons arbeite. Und wie kann Robinson aus Freitags Arbeit Nutzen für sich ziehn? Nur dadurch, daß Freitag mehr Lebensmittel durch seine Arbeit erzeugt, als Robinson ihm geben muß, damit er arbeitsfähig bleibe. Robinson hat also, gegen Herrn Dührings ausdrückliche Vorschrift, die durch die Knechtung Freitags hergestellte »politische Gruppierung nicht um ihrer selbst willen zum Ausgangspunkt gemacht, sondern sie ausschließlich als Mittel für Futterzwecke behandelt«, und möge nun selber zusehn, wie er mit seinem Herrn und Meister Dühring fertig wird.

Das kindliche Exempel also, das Herr Dühring eigens erfunden hat, um die Gewalt als das »geschichtlich Fundamentale« nachzuweisen, es beweist, daß die Gewalt nur das Mittel, der ökonomische Vorteil dagegen der Zweck ist. Um soviel »fundamentaler« der Zweck ist als das seinetwegen angewandte Mittel, um ebensoviel fundamentaler ist in der Geschichte die ökonomische Seite des Verhältnisses gegenüber der politischen. Das Beispiel beweist also grade das Gegenteil von dem, was es beweisen soll. Und wie bei Robin- |149| son und Freitag, so in allen bisherigen Fällen von Herrschaft und Knechtschaft. Die Unterjochung war stets, um Herrn Dührings elegante Ausdrucksweise zu gebrauchen, »Mittel für Futterzwecke« (diese Futterzwecke im weitesten Sinn genommen), nie und nirgends aber eine »um ihrer selbst willen« eingeführte politische Gruppierung. Man muß Herr Dühring sein, um sich einbilden zu können, die Steuern seien im Staate nur »Wirkungen zweiter Ordnung«, oder die heutige politische Gruppierung von herrschender Bourgeoisie und beherrschtem Proletariat sei »um ihrer selbst willen« da und nicht um der »Futterzwecke« der herrschenden Bourgeois willen, nämlich der Profitmacherei und Kapitalaufhäufung.

Kehren wir indes wieder zurück zu unsern beiden Männern. Robinson, »mit dem Degen in der Hand«, macht Freitag zu seinem Sklaven. Aber um dies fertigzubringen, braucht Robinson noch etwas andres als den Degen. Nicht einem jeden ist mit einem Sklaven gedient. Um einen solchen brauchen zu können, muß man über zweierlei verfügen: erstens über die Werkzeuge und Gegenstände für die Arbeit des Sklaven, und zweitens über die Mittel für seinen notdürftigen Unterhalt. Ehe also Sklaverei möglich wird, muß schon eine gewisse Stufe in der Produktion erreicht und ein gewisser Grad von Ungleichheit in der Verteilung eingetreten sein. Und damit die Sklavenarbeit die herrschende Produktionsweise einer ganzen Gesellschaft werde, braucht es eine noch weit höhere Steigerung der Produktion, des Handels und der Reichtumsansammlung. In den alten naturwüchsigen Gemeinwesen mit Gesamteigentum am Boden kommt Sklaverei entweder gar nicht vor oder spielt nur eine sehr untergeordnete Rolle. Ebenso in der ursprünglichen Bauernstadt Rom; als dagegen Rom »Weltstadt« wurde und der italische Grundbesitz mehr und mehr in die Hände einer wenig zahlreichen Klasse enorm reicher Eigentümer kam, da wurde die Bauernbevölkerung verdrängt durch eine Bevölkerung von Sklaven. Wenn zur Zeit der Perserkriege die Zahl der Sklaven in Korinth auf 460.000, in Aegina auf 470.000 stieg, und auf jeden Kopf der freien Bevölkerung zehn Sklaven kamen, so gehörte dazu noch etwas mehr als »Gewalt«, nämlich eine hochentwickelte Kunst- und Handwerksindustrie und ein ausgebreiteter Handel. Die Sklaverei in den amerikanischen Vereinigten Staaten beruhte weit weniger auf der Gewalt, als auf der englischen Baumwollindustrie; in den Gegenden, wo keine Baumwolle wuchs, oder die nicht, wie die Grenzstaaten, Sklavenzüchtung für die Baumwollstaaten trieben, starb sie von selbst aus, ohne Anwendung von Gewalt, einfach weil sie sich nicht bezahlte.

Wenn also Herr Dühring das heutige Eigentum ein Gewalteigentum nennt und es bezeichnet als

|150| »diejenige Herrschaftsform, welche nicht etwa bloß eine Ausschließung des Nebenmenschen von dem Gebrauch der Naturmittel zur Existenz, sondern auch, was noch weit mehr bedeutet, die Unterjochung des Menschen zum Knechtsdienst zugrunde liegen hat« -

so stellt er das ganze Verhältnis auf den Kopf. Die Unterjochung des Menschen zum Knechtsdienst, in allen ihren Formen, setzt beim Unterjocher die Verfügung voraus über die Arbeitsmittel, vermittelst deren allein er den Geknechteten verwenden, und bei der Sklaverei außerdem noch die Verfügung über die Lebensmittel, womit allein er den Sklaven am Leben erhalten kann. In allen Fällen also schon einen gewissen, den Durchschnitt überschreitenden Vermögensbesitz. Wie ist dieser entstanden ? jedenfalls ist es klar, daß er zwar geraubt sein, also auf Gewalt beruhn kann, aber daß dies keineswegs nötig ist. Er kann erarbeitet, erstohlen, erhandelt, erschwindelt sein. Er muß sogar erarbeitet sein, ehe er überhaupt geraubt werden kann.

Das Privateigentum tritt überhaupt in der Geschichte keineswegs auf als Ergebnis des Raubs und der Gewalt. Im Gegenteil. Es besteht schon, wenn auch unter Beschränkung auf gewisse Gegenstände, in der uralten naturwüchsigen Gemeinde aller Kulturvölker. Es entwickelt sich bereits innerhalb dieser Gemeinde, zunächst im Austausch mit Fremden, zur Form der Ware. Je mehr die Erzeugnisse der Gemeinde Warenform annehmen, d.h. je weniger von ihnen zum eignen Gebrauch des Produzenten und je mehr sie zum Zweck des Austausches produziert werden, je mehr der Austausch auch im Innern der Gemeinde die ursprüngliche naturwüchsige Arbeitsteilung verdrängt, desto ungleicher wird der Vermögensstand der einzelnen Gemeindeglieder, desto tiefer wird die alte Gemeinschaft des Bodenbesitzes untergraben, desto rascher treibt das Gemeinwesen seiner Auflösung in ein Dorf von Parzellenbauern entgegen. Der orientalische Despotismus und die wechselnde Herrschaft erobernder Nomadenvölker konnten diesen alten Gemeinwesen Jahrtausende hindurch nichts anhaben; die allmähliche Zerstörung ihrer naturwüchsigen Hausindustrie durch die Konkurrenz der Erzeugnisse der großen Industrie bringt sie mehr und mehr in Auflösung. Von Gewalt ist da ebensowenig die Rede, wie bei der noch jetzt stattfindenden Aufteilung des gemeinsamen Ackerbesitzes der »Gehöferschaften« an der Mosel und im Hochwald; die Bauern finden es eben in ihrem Interesse, daß das Privateigentum am Acker an Stelle des Gemeineigentums trete. Selbst die Bildung einer naturwüchsigen Aristokratie, wie sie bei Kelten, Germanen und im indischen Fünfstromland auf Grund des gemeinsamen Bodeneigentums erfolgt, beruht zunächst keineswegs auf Gewalt, sondern auf Freiwilligkeit und Gewohnheit. Überall, wo das Privat- |151| eigentum sich herausbildet, geschieht dies infolge veränderter Produktions- und Austauschverhältnisse, im Interesse der Steigerung der Produktion und der Förderung des Verkehrs - also aus ökonomischen Ursachen. Die Gewalt spielt dabei gar keine Rolle. Es ist doch klar, daß die Einrichtung des Privateigentums schon bestehn muß, ehe der Räuber sich fremdes Gut aneignen kann; daß also die Gewalt zwar den Besitzstand verändern, aber nicht das Privateigentum als solches erzeugen kann.

Aber auch um die »Unterjochung des Menschen zum Knechtsdienst« in ihrer modernsten Form, in der Lohnarbeit, zu erklären, können wir weder die Gewalt, noch das Gewalteigentum brauchen. Wir haben schon erwähnt, welche Rolle bei der Auflösung der alten Gemeinwesen, also bei der direkten oder indirekten Verallgemeinerung des Privateigentums, die Verwandlung der Arbeitsprodukte in Waren, ihre Erzeugung nicht für den eignen Verzehr, sondern für den Austausch spielt. Nun aber hat Marx im »Kapital« sonnenklar nachgewiesen - und Herr Dühring hütet sich, auch nur mit einer Silbe darauf einzugehn -, daß auf einem gewissen Entwicklungsgrad die Warenproduktion sich in kapitalistische Produktion verwandelt und daß auf dieser Stufe »das auf Warenproduktion und Warenzirkulation beruhende Gesetz der Aneignung oder Gesetz des Privateigentums durch seine eigne, innere, unvermeidliche Dialektik in sein Gegenteil umschlägt: der Austausch von Äquivalenten, der als die ursprüngliche Operation erschien, hat sich so gedreht, daß nur zum Schein ausgetauscht wird, indem erstens der gegen Arbeitskraft ausgetauschte Kapitalteil selbst nur ein Teil des ohne Äquivalent angeeigneten fremden Arbeitsprodukts ist, und zweitens von seinem Produzenten, dem Arbeiter, nicht nur ersetzt, sondern mit neuem Surplus« (Überschuß) »ersetzt werden muß ... Ursprünglich erschien uns das Eigentum gegründet auf eigne Arbeit ... Eigentum erscheint jetzt« (am Schluß der Marxschen Entwicklung), »auf Seite des Kapitalisten, als das Recht, fremde unbezahlte Arbeit, auf Seite des Arbeiters, als Unmöglichkeit, sein eignes Produkt anzueignen. Die Scheidung zwischen Eigentum und Arbeit wird zur notwendigen Konsequenz eines Gesetzes, das scheinbar von ihrer Identität ausging.« |Siehe Karl Marx, »Das Kapital«, Bd. I, in: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, Bd. 23, S. 609/610| Mit andern Worten: selbst wenn wir die Möglichkeit alles Raubs, aller Gewalttat und aller Prellerei ausschließen, wenn wir annehmen, daß alles Privateigentum ursprünglich auf eigner Arbeit des Besitzers beruhe und daß im ganzen fernern Verlauf nur gleiche Werte gegen gleiche Werte ausgetauscht werden, so kommen wir dennoch bei der Fortentwicklung der Produktion und des Austausches mit Not- |152| wendigkeit auf die gegenwärtige kapitalistische Produktionsweise, auf die Monopolisierung der Produktions- und Lebensmittel in den Händen der einen, wenig zahlreichen Klasse, auf die Herabdrückung der andern, die ungeheure Mehrzahl bildenden Klasse zu besitzlosen Proletariern, auf den periodischen Wechsel von Schwindelproduktion und Handelskrise und auf die ganze gegenwärtige Anarchie in der Produktion. Der ganze Hergang ist aus rein ökonomischen Ursachen erklärt, ohne daß auch nur ein einziges Mal der Raub, die Gewalt, der Staat oder irgendwelche politische Einmischung nötig gewesen wäre. Das »Gewalteigentum« erweist sich auch hier bloß als eine renommistische Phrase, die den Mangel an Verständnis des wirklichen Verlaufs der Dinge verdecken soll.

Dieser Verlauf, historisch ausgedrückt, ist die Entwicklungsgeschichte der Bourgeoisie. Wenn die »politischen Zustände die entscheidende Ursache der Wirtschaftslage sind«, so muß die moderne Bourgeoisie nicht im Kampf mit dem Feudalismus sich entwickelt haben, sondern sein freiwillig erzeugtes Schoßkind sein. Jedermann weiß, daß das Gegenteil stattgefunden hat. Ursprünglich dem herrschenden Feudaladel zinspflichtiger, aus Hörigen und Leibeignen aller Art sich rekrutierender, unterdrückter Stand, hat das Bürgertum in fortwährendem Kampf mit dem Adel einen Machtposten nach dem andern erobert und schließlich in den entwickeltsten Ländern an seiner Stelle die Herrschaft in Besitz genommen; in Frankreich, indem es den Adel direkt stürzte, in England, indem es ihn mehr und mehr verbürgerlichte und ihn sich als seine eigne ornamentale Spitze einverleibte. Und wie brachte es dies fertig? Lediglich durch Veränderung der »Wirtschaftslage«, der eine Veränderung der politischen Zustände früher oder später, freiwillig oder erkämpft, nachfolgte. Der Kampf der Bourgeoisie gegen den Feudaladel ist der Kampf der Stadt gegen das Land, der Industrie gegen den Grundbesitz, der Geldwirtschaft gegen die Naturalwirtschaft, und die entscheidenden Waffen der Bürger in diesem Kampfe waren ihre, durch die Entwicklung der erst handwerksmäßigen, später zur Manufaktur vorschreitenden Industrie und durch die Ausbreitung des Handels sich fortwährend steigernden ökonomischen Machtmittel. Während dieses ganzen Kampfs stand die politische Gewalt auf Seite des Adels, mit Ausnahme einer Periode, wo die königliche Macht das Bürgertum gegen den Adel benutzte, um den einen Stand durch den andern im Schach zu halten; aber von dem Augenblick, wo das noch immer politisch ohnmächtige Bürgertum, vermöge seiner wachsenden ökonomischen Macht, gefährlich zu werden anfing, verbündete sich das Königtum wieder mit dem Adel und rief dadurch zuerst in England, dann in Frankreich die Revolution des Bürger- |153| tums hervor. Die »politischen Zustände« in Frankreich waren unverändert geblieben, während die »Wirtschaftslage« ihnen entwachsen war. Dem politischen Stand nach war der Adel alles, der Bürger nichts; der sozialen Lage nach war der Bürger jetzt die wichtigste Klasse im Staat, während dem Adel alle seine sozialen Funktionen abhanden gekommen waren und er nur noch in seinen Revenuen die Bezahlung dieser verschwundnen Funktionen einstrich. Damit nicht genug: das Bürgertum war in seiner ganzen Produktion eingezwängt geblieben in die feudalen politischen Formen des Mittelalters, denen diese Produktion - nicht nur die Manufaktur, sondern selbst das Handwerk - längst entwachsen war: in alle die, zu bloßen Schikanen und Fesseln der Produktion gewordnen, tausendfachen Zunftprivilegien und lokalen und provinzialen Zollschranken. Die Revolution des Bürgertums machte dem ein Ende. Nicht aber indem sie, nach Herrn Dührings Grundsatz, die Wirtschaftslage den politischen Zuständen anpaßte - das hatte ja grade Adel und Königtum jahrelang umsonst versucht -, sondern indem sie umgekehrt den alten modrigen politischen Plunder beiseite warf und politische Zustände schuf, in denen die neue »Wirtschaftslage« bestehn und sich entwickeln konnte. Und sie hat sich in dieser ihr angemessenen politischen und rechtlichen Atmosphäre glänzend entwickelt, so glänzend, daß die Bourgeoisie schon nicht mehr weit von der Stellung ist, die der Adel 1789 einnahm: sie wird mehr und mehr, nicht nur sozial überflüssig, sondern soziales Hindernis; sie scheidet mehr und mehr aus der Produktionstätigkeit aus und wird mehr und mehr, wie seinerzeit der Adel, eine bloß Revenuen einstreichende Klasse; und sie hat diese Umwälzung ihrer eignen Stellung und die Erzeugung einer neuen Klasse, des Proletariats, fertiggebracht, ohne irgendwelchen Gewaltshokuspokus, auf rein ökonomischem Wege. Noch mehr. Sie hat dies Resultat ihres eignen Tun und Treibens keineswegs gewollt - im Gegenteil, es hat sich mit unwiderstehlicher Gewalt gegen ihren Willen und gegen ihre Absicht durchgesetzt; ihre eignen Produktivkräfte sind ihrer Leitung entwachsen und treiben, wie mit Naturnotwendigkeit, die ganze bürgerliche Gesellschaft dem Untergang oder der Umwälzung entgegen. Und wenn die Bourgeois jetzt an die Gewalt appellieren, um die zusammenbrechende »Wirtschaftslage« vor dem Einsturz zu bewahren, so beweisen sie damit nur, daß sie in derselben Täuschung befangen sind wie Herr Dühring, als seien »die politischen Zustände die entscheidende Ursache der Wirtschaftslage«; daß sie sich einbilden, ganz wie Herr Dühring, sie könnten mit dem »Primitiven«, mit »der unmittelbar politischen Gewalt« jene »Tatsachen zweiter Ordnung«, die Wirtschaftslage und ihre unabwendbare Entwicklung umschaffen und also |154| die ökonomischen Wirkungen der Dampfmaschine und der von ihr getriebnen modernen Maschinerie, des Welthandels und der heutigen Bank- und Kreditentwicklung mit Krupp-Kanonen und Mauser-Gewehren wieder aus der Welt schießen.


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