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Amnesty International über die Situation der politischen Gefangenen in Peru

Länderkurzinfo der Koordinationsgruppe Peru vom 30.09.99 (Auszüge)

Die Einführung neuer Anti-Terrorismus-Gesetze 1992 im Zuge des Kampfes gegen den Partido Comunista del Peru - Sendero Luminoso (Kommunistische Partei Perus - Leuchtender Pfad) und Movimiento Revolucionario Tupac Amaru (MRTA - Revolutionäre Bewegung Tupac Amaru) führte im Laufe der darauffolgenden Jahre zu einem drastischen Anstieg der Festnahmen mit politischem Hintergrund. Reine Mutmaßungen über mögliche Verbindungen zu Untergrundorganisationen können seitdem zu Haft ohne Angabe stichhaltiger Beweise und ohne faire Gerichtsprozesse führen. Seit Inkrafttreten der Anti-Terrorismus-Gesetzgebung 1992 hat amnesty international die Fälle von über 1.300 gewaltlosen oder möglichen gewaltlosen politischen Gefangenen (1) dokumentiert. Unabhängige peruanische Menschenrechtsorganisationen schätzen die Zahl der zu Unrecht in peruanischen Gefängnissen einsitzenden politischen Gefangenen jedoch noch wesentlich höher ein. amnesty international dokumentierte ferner zahlreiche Fälle von Folter während der Untersuchungshaft und der Verhöre.

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3. Unfaire Gerichtsverfahren, Ausweitung der Militärgerichtsbarkeit und gewaltlose politische Gefangene

a) Unfaire Gerichtsverfahren

Die Gerichtsverfahren auf der Grundlage der Anti-Terrorismus-Gesetze entsprechen nach Überzeugung amnesty internationals in keiner Weise den Anforderungen eines fairen Verfahrens. Inzwischen gab es zwar geringfügige positive Veränderungen (3) wie z.B. die Abschaffung der Anonymität der Richter im Oktober 1997. Das elementare Recht auf ein faires Gerichtsverfahren besteht jedoch weiterhin nicht. So sind beispielsweise Verfahren noch immer nicht öffentlich; Fälle, in denen Zivilisten des Landesverrats angeklagt sind, werden weiterhin vor Militärgerichten verhandelt; Rechtsanwälten ist es nach wie vor verboten, Mitglieder der Sicherheitskräfte ins Kreuzverhör zu nehmen, wenn diese in Verhaftung oder Verhör ihrer Mandanten involviert waren.

b) Ausdehnung der Militärgerichtsbarkeit

Präsident Alberto Fujimori und seine Regierung billigten am 22. Mai 1998 die Verabschiedung einer Reihe von Gesetzen (4) zur Bekämpfung krimineller Vergehen, die von bewaffneten Banden oder Vereinigungen begangen wurden. Die Einführung dieser Gesetze sieht vor, die Ahndung der genannten Verbrechen in die Rechtsprechung der Militärgerichte zu übertragen, und gesteht damit der Polizei bestimmte Befugnisse zu, eine verdächtige Person während der Verhöre bis zu 15 Tage in Gewahrsam (verlängerbar um weitere 15 Tage) und - falls es als notwendig erachtet wird - sogar in Isolationshaft zu halten. Während dieser Zeit ist der Verhaftete unter der ausschließlichen Kontrolle der Polizei. Diese Maßnahmen steigern das Risiko von Folter und Mißhandlung und bedeuten gleichermaßen eine Schwächung der Schutzvorkehrungen, die die Unversehrtheit der Inhaftierten garantieren.

Zudem wurden dem Geheimdienst weitere Zuständigkeiten bei der Verbrechensbekämpfung zugesprochen. Der Geheimdienst solle seine Bemühungen auf die Identifizierung und Ergreifung der Anführer und Mitglieder von Verbrecherorganisationen, die an Entführungen und Diebstählen beteiligt seien, konzentrieren.

c) Gewaltlose politische Gefangene

Im August 1996 beauftragte die peruanische Regierung eine ad-hoc-Kommission mit der Aufgabe, dem Präsidenten Vorschläge für die Begnadigung von Gefangenen zu unterbreiten, die aufgrund ungerechtfertigter Anschuldigungen, terroristische Straftaten begangen zu haben, inhaftiert bzw. verurteilt wurden. Die Arbeit der Kommission wurde inzwischen bis Dezember 1999 verlängert. amnesty international begrüßt die Einsetzung der Kommission und wird deren Arbeit sowie die Maßnahmen, die die Regierung auf Empfehlung der Kommission hin ergreift, weiterhin mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgen. Insgesamt lagen der Kommission bis heute über 2.860 Anträge von Gefangenen vor, die behaupteten, fälschlicherweise des Terrorismus beschuldigt worden zu sein. Nach Kenntnis amnesty internationals waren 473 Personen bis 15. September 1999 begnadigt worden, unter ihnen von amnesty international betreute gewaltlose politische Gefangene.

Es ist jedoch zu bedauern, daß die Gefangenen, denen kein Vergehen zur Last gelegt werden konnte, keinen Freispruch, sondern lediglich eine Begnadigung bzw. Haftverkürzung erhalten haben. Dies hat zur Folge, daß diese zu Unrecht zum Teil über mehrere Jahre und unter z.T. miserablen Bedingungen in Hochsicherheitstrakten inhaftierten Personen keinerlei Recht auf Entschädigung materieller Art beanspruchen können. Mittlerweile können zwar ehemalige - zu Unrecht verurteilte und später begnadigte - Gefangene die Löschung ihres "Delikts" aus dem Strafregister beantragen, eine finanzielle Entschädigung wird dadurch jedoch auch weiterhin nicht gewährt. Ferner befinden sich noch Hunderte gewaltlose und möglicherweise gewaltlose politische Gefangene in Haft.

4. Folter, Mißhandlungen und Todesfälle in der Haft

amnesty international ist der Auffassung, daß Folter in Peru nach wie vor zur Tagesordnung gehört. amnesty international kritisiert vor allem, daß Folter- und Mißhandlungsvorwürfe nicht in umfassenden, unparteiischen und unabhängigen Untersuchungen nachgegangen wird, daß die Täter nicht vor Gericht gestellt werden und die Opfer bzw. deren Familien keine Entschädigung erhalten.

Im August 1997 wurden neue Bestimmungen zur Verbesserung der Haftbedingungen Gefangener, die terroristischer Straftaten beschuldigt wurden, erlassen (5). Jedoch wurden die in Militärgefängnissen einsitzenden Gefangenen von diesen neuen Regelungen ausdrücklich ausgeschlossen und sind somit auch weiterhin Haftbedingungen ausgesetzt, die grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung gleichkommen.

Eine neue Qualität der Menschenrechtsverletzung stellt die Inbetriebnahme des Hochsicherheitsgefängnisses Challapalca dar. Anfang August 1997 wurden die ersten Gefangenen in dieses Gefängnis verlegt, das ca. 4.600 Meter über dem Meeresspiegel liegt und daher schlimmste Auswirkungen auf den Gesundheitszustand haben kann (6). Angehörigen der Gefangenen des Challapalca-Gefängnisses ist es nicht möglich, das Gefängnis aufgrund der extrem schlechten Lage mit öffentlichen Verkehrsmitteln vor Anbruch der Nacht zu erreichen.

5. Ausweitung der Todesstrafe

Die Verfassung Perus aus dem Jahre 1993 weitete die Liste der Vergehen, die mit der Todesstrafe geahndet werden können, um das Verbrechen "Terrorismus" aus. Einer Entscheidung des Interamerikanischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom Dezember 1994 zufolge stellt diese Ausweitung eine Verletzung der Amerikanischen Menschenrechtskonvention dar. Dort heißt es in Art. 4 (2) u.a.: "Die Anwendung [der Todesstrafe] darf nicht auf Verbrechen ausgedehnt werden, auf die sie gegenwärtig nicht anwendbar ist." Die peruanische Regierung hat bisher jedoch noch keine Schritte unternommen, die Verfassung wieder zu ändern und einer entsprechenden Empfehlung des Gerichtshofes Folge zu leisten.

amnesty international wendet sich in allen Fällen gegen die Todesstrafe, da sie eine Verletzung des Rechts auf Leben und des Rechts, keiner grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe unterworfen zu werden, darstellt. Diese Rechte sind u.a. in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte verankert.

Peru hat sowohl die Amerikanische Menschenrechtskonvention als auch den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte im Jahr 1978 ratifiziert.

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9. Perus Rückzug vom Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshof

Der Rückzug Perus aus dem Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte (CIDH - Corte Interamericano de Derechos Humanos) stellt einen Rückschlag für die Umsetzung internationaler Menschenrechtsabkommen dar und ist ein weiterer Schritt, regierungsunabhängige Gerichtsbarkeit zu umgehen. Auslöser war die Entscheidung des CIDH zur Neuaufnahme eines Prozesses gegen vier chilenische MRTA-Mitglieder auf Grund verfahrensrechtlicher Mängel. Fujimori begründete sein Vorgehen damit, daß das Urteil des CIDH Perus Souveränität verletze (obwohl Peru dem Abkommen von San José de Costa Rica 1980 beigetreten war und damit die Kompetenz des Gerichtshofs anerkannt hatte). Von allen lateinamerikanischen Ländern sind derzeit die meisten Fälle, nämlich 180, gegen Peru anhängig. Der CIDH wurde ins Leben gerufen, um die Einhaltung der Normen der amerikanischen Menschenrechtskonvention (Vertrag von Costa Rica) zu kontrollieren. Am 25. August 1999 drängte die Unterkommission der Vereinten Nationen zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte in ihrer Resolution 1999/5 die peruanische Regierung, die Rechtsprechung des Interamerikanischen Gerichtshofs anzuerkennen.

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1 Als gewaltlose politische Gefangene bezeichnet amnesty international Personen, die aufgrund ihrer politischen, religiösen oder einer anderen Überzeugung, aufgrund ihrer ethnischen Herkunft, ihres Geschlechts, ihrer Hautfarbe oder ihrer Sprache, ihrer nationalen oder sozialen Herkunft oder ihres wirtschaftlichen Status inhaftiert sind - vorausgesetzt, sie haben Gewalt weder angewandt noch befürwortet.
2 Gesetz Nr. 26.492
3 Siehe auch Bericht von amnesty international, AI Index: AMR 46/09/96, Mai 1996,
4 Das sog. "Gesetz gegen den schweren Terrorismus" sieht für Anführer krimineller Vereinigungen lebenslängliche Haft vor und legt Gefängnisstrafen nicht unter 30 Jahren für die außerdem beteiligten Personen sowie für diejenigen fest, die Minderjährige bei der Ausübung des Verbrechens zur Mittäterschaft veranlassen. Dementsprechend "begeht ein Mitglied oder Komplize einer kriminellen Bande oder Vereinigung, die Kriegswaffen, Granaten oder Sprengkörper trägt oder benutzt, um Raub, Entführung, Erpressung oder ein anderes Verbrechen gegen das Leben, die Person, die Gesundheit, das Vermögen, die individuelle Freiheit oder die öffentliche Sicherheit zu verüben, die Straftat des schweren Terrorismus, auch wenn dieser als Individuum handelt." Die Ermittlung und die Urteilsfindung bei Vergehen des "schweren Terrorismus" untersteht ausschließlich der Militärgerichtsbarkeit.
5 U.a. wurden für Familienangehörige großzügigere Besuchsregelungen eingeführt..
6 Siehe auch Bericht von amnesty international, AI-Index: AMR 46/02/98, Februar 1998




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