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Interview mit Elena Iparraguirre (Genossin Miriam)


- Was passierte, als Sie festgenommen wurden?

- 15 Tage vollkommener Isolation und Kontaktsperre. Das Gefühl von Bestürzung, Leere und Machtlosigkeit begleitet von der schnellen Suche nach Lösungen für den Fortbestand der Partei und der Revolution. Durch die brutale Vorführung vor der Presse, für die sie mich mit Gewalt und trotz meines Widerstands zwangen, einen gestreiften Sträflingsanzug zu tragen, fühlte ich mich in meinem Innersten angegriffen.

- Waren Sie auf das Gefängnis vorbereitet?

- Ich wurde auf die Insel San Lorenzo gebracht. Ich bemerkte es, weil es nach Meer roch. Ich wurde an den Füßen gefesselt. Sie befestigten die Handschellen an meinen Handgelenken an Ringen, die oberhalb meines Kopfes in die Wand eingelassen waren. Mein Aufenthalt in San Lorenzo war noch nicht einmal dem Komitee des Internationalen Roten Kreuzes bekannt. Meine Mutter erzählte mir, dass sie täglich in ihren Büros vorsprach und die Antwort erhielt: Ihre Tochter ist an einem unbekannten Ort.

Es war ein feuchter, leerer Raum. Ohne Licht, mit Wänden aus Zement, damit die Kälte ständiger Begleiter des Gefangenen ist, und einer Toilette, die aus einem Loch im Boden bestand.

Das Wasser wurde ohne vorherige Ankündigung drei Minuten lang durch ein Loch im Dach geschüttet, und ich nutzte diese Zeit, sie mit meiner Kleidung aufzufangen, um mich später zu waschen.

Mir wurde verboten zu singen, zu pfeifen, zu sprechen. Die Marinesoldaten draußen waren entweder stumm oder obszön. Ich verhielt mich wie eine Kommunistin und stellte einen täglichen Arbeitsplan auf: Gymnastik, politische Analyse, das Verfassen von Gedichten in meinem Kopf. Ich verfasste 17 Gedichte und gab ihnen Nummern. Mein Körpergewicht sank von 57 auf 42 Kilo.

Ich freute mich als wäre Weihnachten, als die Marinesoldaten mir meinen Kamm brachten und ich daneben den Kamm von Abimael entdeckte. Das erste Jahr der Haft war das schlimmste von allen.

- Wie waren ihre Treffen mit Montesinos?

- Der peruanische Staat schickte Dr. Vladimiro Montesinos als Unterhändler, in offizieller Mission, versteht sich. Wir waren es nicht, die ihn ausgesucht haben. Mit ihm führten wir Gespräche, doch wir kamen nie dahin, ein Friedensabkommen zu unterzeichnen, und es ist unrichtig, dass wir Ausflüge mit einem Schiff, einer Schaluppe oder einem Boot unternommen hätten. Dr. Guzmán wurde unter Deck zur Insel gebracht, und sie brachten ihn auf Deck in einem Käfig und von 2 Patrouillenbooten eskortiert zurück.

All der Rest ist Unsinn, Erfindung, um die Wirklichkeit zu verschleiern. Ohne unsere Ideologie aufzugeben, verlangten wir Verhandlungen, um zu einem Waffenstillstand, einer Demobilisierung der Partisanenvolksarmee (EGP) und der Organe des neuen Staates zu gelangen, mit dem Ziel, die Partei zu erhalten, damit sie unter den neuen Bedingungen agiert.

Die Treffen mit Montesinos fanden unter den Bedingungen statt, unter denen sich diplomatische Beziehungen zwischen Staaten oder Institutionen mit entgegen gesetzten Interessen abspielen. Jeder mit seinem eigenen Interesse und von einem anderen Ufer des Flusses aus mit einem gemeinsamen Ziel, das für sie die "Pazifikation" des Landes und für uns der Kampf um ein Friedensabkommen war.

Es besteht kein Grund, weshalb wir für seine (Montesinos) Schurkereien Verantwortung übernehmen sollten. Zumindest gab es eine korrekte Behandlung, gegenseitigen Respekt und Maßnahme und Gegenmaßnahmen.

- Fühlen Sie Reue über das Massaker von Lucanamarca vom 3. April 1983?

- Wir bekräftigen diesbezüglich, was Abimael Guzmán im "Interview des Jahrhunderts" gesagt hat, das er 1987 der Zeitung "El Diario" gab, (wo er das Massaker damit rechtfertigt, dass es als Abschreckung für die übrigen Dorfgemeinschaften diente).

Es fand im Wesentlichen ein Bürgerkrieg statt. Und wie der Marxismus uns lehrt, ist es in einem Krieg, einer Revolution unvermeidlich, einen machtvollen Bürgerkrieg zu durchlaufen, und das war es, was auf dem Lande in Ayacucho, Apurimac und Huáncavelica stattfand, ein Bauernkrieg, den niemand leugnen kann. Und letztendlich frage ich: Warum werden die schrecklichen, grausamen, ruchlosen Massaker verschwiegen, die sich nach der Intervention der Streitkräfte abspielten?

- Wieso entschlossen Sie sich, ihre beiden Kinder und ihren Ehemann Javier Verástegui zu verlassen?

- In dem Maße, in dem ich mich stärker im revolutionären Kampf engagierte, gerieten die Dinge aus dem Gleichgewicht, bis dieses ganz verloren ging. Es war nicht dasselbe, die Kinder zur Schule zu bringen und dabei drei Buslinien von zu Hause bis zum Armenviertel zu nehmen wie sie zu den Demonstrationen und Kundgebungen der SUTEP mitzunehmen, wo ein Wasserwerfer uns mitten im Winter von oben bis unten durchnässte oder uns die Polizei mit Tränengas angriff.

Eines Tages sagte meine Tochter mir beim Besuch von Arbeitern, deren Häuser im Ödland am Stadtrand lagen: "Mami, hier gibt es keinen Fußboden, trag mich!" Und diese Sätze erschütterten mich und setzten mich unter Druck.

Ich gestehe, dass ich auf verschiedene Weise versuchte, allem gerecht zu werden, doch es gelang mir nicht. Ich dachte lange über das Problem nach. Ich bin niemand, der sich von schlechtem Gewissen leiten lässt, sondern ich analysiere, wiege mehrere Aspekte gegeneinander ab. Das dauerte eine ziemlich lange Zeit.

Ich entschied mich für den endgültigen Bruch, ich rebellierte gegen die Rolle, die die Gesellschaft den Frauen auferlegt: Kinder zu bekommen und zu erziehen und zu arbeiten, um zur sozialen Produktion beizutragen, die ein ungerechtes System aufrechterhält. Ich entschied mich für den Kampf, um die Gesellschaft zu verändern.

Ich verschloss mein Herz und ging, ohne mich umzuwenden, aus Angst, zur Salzsäule zu erstarren. Ich sagte mir in meinem Inneren, wenn wir die Macht übernehmen, komme ich zurück, um ihnen die neue Welt zu zeigen, die die Kommunisten und das neue Volk aufbauen werden. Der Krieg nahm ihnen ihre Mutter.

- Bereuen sie den bewaffneten Kampf?

- Wir haben Fehler begangen, doch die Revolution war der Mühe wert, denn der peruanische Staat war ein Morast, und es war der einzige Weg, um die sozialen Unterschiede zu beenden. Wir hatten Anfang der 90er Jahre rund 70.000 Anhänger, was es unmöglich machte, all die Mitglieder direkt zu kontrollieren, die den Terror in Lima und in den wichtigsten Andenregionen mit Bomben, Unterbrechung des Stromnetzes und selektiven Anschlägen auf die höchsten Autoritäten entfesselten. Sie lernten mit Waffen umzugehen, bevor sie die Ideologie und die Politik verstanden.

- Welche Inschrift wünschen Sie sich für Ihren Grabstein?

- Dass ich zumindest mitgeholfen habe, das politische Bewusstsein der rückständigsten Schichten des Volkes zu entwickeln.

- Mitgeholfen? Und was ist mit den Zehntausenden von Toten?

- Die einzige Art, in den Regierungspalast zu gelangen, war über den bewaffneten Kampf. Die Gewalt war eine Notwendigkeit. Unsere Angriffsziele waren die Mächtigen, doch ich gebe zu, dass Vieles aus dem Ruder lief. Es war der Preis des Krieges.



Veröffentlicht in der Zeitschrift Caretas, Nr. 1974, 3. Mai 2007. Übersetzung aus dem Spanischen


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