Die Volksbewegung Peru in Deutschland (MPP-A) sendet ihre solidarischen Grüße an die Teilnehmer des INTERNATIONALEN SYMPOSIUMS GEGEN ISOLATIONSFOLTER und dessen Organisatoren, die INITIATIVE FÜR EINE INTERNATIONALE PLATTFORM GEGEN ISOLATION. Wir halten es für nützlich und notwendig, daß sich eine internationale Front bildet, die ihre Stimme erhebt gegen die Praxis des Imperialismus und seiner Verbündeten, die Revolution zu bekämpfen, indem sie die Revolutionäre vernichten. Denn die Isolation von politischen Gefangenen ist nur bedingt ein Selbstzweck. Vielmehr ist sie Teil eines politischen Racheakts, der auf ihre körperliche und psychische Vernichtung abzielt. In Peru haben wir in den letzten 20 Jahren weitreichende Erfahrungen mit dieser Methode gemacht. Da uns eine persönliche Teilnahme an dem Symposium aller Voraussicht nach nicht möglich ist, möchten wir auf diesem Wege einige Gesichtspunkte zum Thema beisteuern.
Der peruanische Staat versuchte seit dem Beginn des Volkskriegs im Mai 1980 stets, die politischen Gefangenen zu isolieren, um unbehelligt seine Vernichtungspolitik durchführen zu können. Dies beginnt mit der Kontaktsperre während der polizeilichen Untersuchung, die laut Gesetz zunächst 15 Tage dauerte und mittlerweile unbefristet sein kann und der Polizei erlaubt, die Festgenommenen ungestört durch Anwälte, Angehörige und Menschenrechtsorganisationen zu foltern, zu mißhandeln und zu Schuldeingeständnissen zu zwingen. Daneben war ein wichtiger Teil dieser Politik die Konzentration und Isolation der politischen Gefangenen in speziellen Gefängnissen mit einem Sonderregime. Diese setzte 1982 mit der Überführung aller politischen Gefangenen in die Hauptstadt Lima ein, wo versucht wurde, sie unter extrem harten Haftbedingungen auf der Gefängnisinsel El Frontón, sowie den Gefängnissen Lurigancho und Callao zu isolieren. Obwohl das unterfinanzierte und korrupte peruanische Gefängnissystem nicht dazu in der Lage ist, zumindest eine elementare Grundversorgung der Gefangenen zu gewährleisten, wurde das Besuchsrecht eingeschränkt und die Annahme von Lebensmitteln und anderen Dingen des täglichen Bedarfs verweigert. Verwandte und Anwälte der Gefangenen wurden schikaniert, bedroht und mißhandelt, um sie von Besuchen abzuhalten. Gerechtfertigt wurde diese Politik, indem man die soziale Bewegung als "Terrorismus" verteufelte, zu dessen Bekämpfung jedes Mittel erlaubt ist. Das schlug sich in dem im März 1981 erlassenen "Antiterrorismus-Gesetz" D. L. 046 nieder, das die Zugehörigkeit und Unterstützung einer "terroristischen Organisation" unter Strafe stellte. Dadurch schwebten Angehörige, Freunde und Anwälte der Gefangenen in ständiger Gefahr, als Unterstützer oder Mitwisser selbst unter Anklage gestellt zu werden. Viele von ihnen wurden verhaftet, und andere sahen sich gezwungen, aufgrund der Verfolgung das Land zu verlassen.
Die Gefangenen selbst waren ständigen Drohungen, Provokationen, offenen Feindseligkeiten und direkten Angriffen ausgesetzt, die in dem Massaker vom 4. Oktober 1985 im Gefängnis Lurigancho gipfelten, bei dem 30 Gefangene ermordet wurden. Am 19. Juni 1986 folgte auf direkte Anordnung des damaligen Präsidenten García Pérez ein zweiter, weitaus größerer Massenmord, der auf die Vernichtung aller politischen Gefangenen abzielte und weltweites Entsetzen auslöste. An jenem Tag wurden in den Gefängnissen El Frontón, Lurigancho und dem Frauengefängnis Callao rund 300 Gefangene umgebracht, von denen der größte Teil hingerichtet wurde, nachdem er bereits überwältigt war. Die Überlebenden wurden in dem neuen "Hochsicherheitsgefängnis" Canto Grande bei Lima konzentriert, wo sie fast vollständig von der Außenwelt und untereinander isoliert wurden und jeder Art von Repressalien ausgesetzt waren, bis nach einem langen, hartnäckigen Kampf der Gefangenen und ihrer Angehörigen eine bedingte Lockerung der Haftbedingungen erreicht werden konnte.
Nach dem Regierungswechsel im Juli 1990 versuchte der Präsident Fujimori im Rahmen einer erweiterten Strategie gegen den Volkskrieg die Bedingungen für die Anwendung eines Plans der systematischen psychischen und physischen Vernichtung der politischen Gefangenen zu schaffen, und setzte diesen nach seinem Staatsstreich vom 5. April 1992 konsequent um. Zwischen dem 6. und 9. Mai 1992 fand ein neues Massaker in Canto Grande statt, bei dem 50 vermeintliche Führungskader selektiv getötet wurde. Die Überlebenden wurden in verschiedene Gefängnisse aufgeteilt, ein Teil blieb in Canto Grande, während die anderen in die beiden neu erbauten "Hochsicherheitsgefängnisse" Yanamayo im Andenhochland bei Puno und das Frauengefängnis Chorrillos in Lima überführt und mit einem ausgeklügelten System langfristig isoliert wurden. 1997 wurde das Gefängnis Challapalca in Betrieb genommen, das wie Yanamayo in über 4000 m Höhe liegt und alle Merkmale eines Vernichtungslagers trägt. Die isolierte Lage beider Gefängnisse erschwert die Besuche von Angehörigen und Anwälten enorm und macht sie in einigen Fällen ganz unmöglich. Ein Extremfall bildet das Militärgefängnis der Marinebasis Callao, wo seit nunmehr zehn Jahren Abimael Guzmán, Elena Iparraguire und andere politische Gefangene unter vollkommen menschenunwürdigen Bedingungen einer dauerhaften Isolationshaft mit jahrelangem, fast ständigem Einschluß in einem 2 x 2 m großen unterirdischen Kerker unterworfen sind.
Noch im gleichen Jahr machte sich die Regierung Fujimori daran, die "Antiterrorismus-Gesetze" zu verschärfen und im Widerspruch zur peruanischen Verfassung und internationalen Abkommen sämtliche Rechtsgarantien für die politischen Gefangenen und Kriegsgefangenen abzuschaffen. Die neuen Gesetze beinhalteten unter anderem die Einführung anonymer Gerichte mit maskierten Richtern, die Zuständigkeit von Militärgerichten für Zivilpersonen, Schnellverfahren unter Ausschluß der Öffentlichkeit ohne das Recht auf Verteidigung, die Verurteilung in Abwesenheit, sowie die unbefristeten Isolationshaft in Polizeigewahrsam. Gleichzeitig sicherte die Regierung mit der Anpassung des Strafvollzugsrechts die Politik der dauerhaften Isolation und systematischen Vernichtung der Gefangenen gesetzlich ab. Auf der Grundlage dieser verfassungswidrigen Gesetzgebung wurden Tausende zu drakonischen Strafen verurteilt und unter menschenunwürdigen Bedingungen in den Konzentrationslagern des peruanischen Staates weggesperrt.
Die politischen Gefangenen in Peru sind der Politik der Isolation und Vernichtung des peruanischen Staates mit anhaltenden Kämpfen entgegengetreten. Indem sie im Kleinen wie im Großen die Widersprüche des anderen Lagers ausnutzten, entsprechend der konkreten Bedingungen alle Mittel einsetzten, um sich gegen die Repressalien aufzulehnen, und gegen die Angriffe entschlossenen Widerstand leisteten, errangen sie wichtige politische Siege und konnten sich vorübergehend immer wieder Freiräume erobern. Nach jahrelangen Kämpfen, einschließlich drei großer Hungerstreiks, von denen der letzte im Februar-März 2002 mit der Beteiligung von fast Tausend Gefangenen in diversen Gefängnissen des Landes stattfand, konnte die Isolation teilweise durchbrochen werden, und ihre Lage hat sich hat sich derzeit um einiges verbessert. Auch die Haftbedingungen im Militärgefängnis der Marinebasis Callao sind seitdem etwas gelockert worden, indem der Einschluß der Gefangenen während des Tages aufgehoben wurde, die strikte Isolation zur Außenwelt hält jedoch weiter an. Diese Verbesserungen ändern jedoch nichts an den menschenunwürdigen äußeren Bedingungen der Gefängnisse Challapalca, Yanamayo und des Militärgefängnisses der Marinebasis Callao. Außerdem ist die Gesetzgebung, mit der die Isolation abgedeckt wird, weiterhin gültig und zum Teil noch erweitert worden, so daß ein Rückschritt jederzeit möglich ist.
Diese Erfahrungen zeigen, daß die Isolationshaft sowohl die direkte Gewaltanwendung in Form von Mißhandlungen, Folter und Ermordung der Gefangenen begünstigt als auch ihre schleichende Vernichtung durch Mangelernährung und Krankheit und ihre Zerstörung als soziale Wesen durch den Verlust jeder Möglichkeit der Kommunikation. Mit dieser Praxis werden systematisch alle Grundrechte der Gefangenen verletzt, angefangen vom Recht auf Leben, Sicherheit und körperliche Unversehrtheit über das Recht auf freie Meinungsäußerung, Gedanken- und Meinungsfreiheit bis hin zum Recht von Gefangenen auf einen fairen Prozeß, freien Zugang zu Informationen, kulturelle und intellektuelle Betätigung, Arbeit und die Aufrechterhaltung der sozialen Kontakte zu Familie, Freunden und der Außenwelt im allgemeinen. Diese Rechte sind das Ergebnis jahrhundertelanger Kämpfe der Völker und heute allgemein anerkannt. Sie bilden nicht zuletzt die Grundlage für die Verfassungen der westlichen Demokratien, die der Imperialismus und seine Verbündeten vorgeben zu verteidigen. Doch die Tatsachen zeigen, daß sie diese Rechte nur erheben, wenn sie im Namen der "Verteidigung der Menschenrechte" andere Länder angreifen, um ihre Machtinteressen durchzusetzen. Geht es jedoch um die Bekämpfung ihrer politischen Gegner und insbesondere von sozialen und revolutionären Bewegungen, dann wischen sie die Menschenrechte bedenkenlos vom Tisch und rechtfertigen dies mit dem angeblichen "Kampf gegen den Terrorismus". Dieses Argument dient nicht nur dazu, die sozialen und revolutionären Kämpfer zu kriminalisieren und zu verfolgen, sondern auch ihre Anwälte, Angehörigen und Freunde.
Wir begreifen den Kampf gegen die Isolation und Vernichtung von politischen Gefangenen als Teil des Kampfes um die Demokratisierung der Gesellschaft, denn er beinhaltet im wesentlichen den Kampf für den Erhalt und die Wiederherstellung der Grundrechte, allen voran das oberste Menschenrecht: das Recht des Volkes, sich gegen ein Unrechtsregime aufzulehnen und die Gesellschaft zu verändern.
Wir hoffen mit der Darstellung dieser Erfahrungen und Überlegungen einige Denkanstöße gegeben zu haben. Im übrigen würden wir uns sehr freuen, wenn Ihr uns über die Ergebnisse des Symposiums informiert würdet, und sind gern bereit im Rahmen unserer Möglichkeiten an der zukünftigen Arbeit mitzuwirken.
Volksbewegung Peru - Deutschland (MPP-A)
18-12-2002